Bedeutung der Gletscher fürs Wasser überschätzt

(c) AP (Eduardo Di Baia)
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Innsbrucker Forscher finden starke regionale Unterschiede bei der Abhängigkeit vom Schmelzwasser.

Wenn der Klimawandel kommt wie prognostiziert, sind irgendwann die Gletscher weg. Das geht zwar nicht so rasch wie in der Falschmeldung des UNO-Klimabeirats IPCC, der 2035 schon einen eisfreien Himalaya sah, aber irgendwann sind sie weg. Und dann wird das Schmelzwasser fehlen: Auch hier gehen die Prognosen hoch, 50 bis 60 Prozent der Weltbevölkerung könnten betroffen sein, 500 Millionen allein im Einzugsgebiet des Ganges.


„Solche Zahlen sind wenig hilfreich", erklärt Ben Marzeion (Uni Innsbruck) der „Presse", „man sollte lieber schauen, wie die klimatischen Bedingungen in den einzelnen Regionen sind und wie die Gletscher funktionieren." Exakt das hat der Geograf mit Innsbrucker Kollegen erstmals getan, er hat die Daten von Niederschlägen, Temperaturen und Gletschern zusammengenommen und über das Jahr betrachtet: „Stellen Sie sich vor, Sie sind im Gangesdelta, es ist warme Jahreszeit, es kommt also viel Schmelzwasser. Aber in der warmen Jahreszeit kommt auch der Monsun. Und wenn dann zwischen Ihnen und den Gletschern viel Landfläche liegt, auf die der Monsun regnet, spielt das Gletscherwasser eine geringere Rolle."

Große Probleme nur für Aralsee-Region


Ähnlich ist es überall im Süden des Himalaya, im Nordwesten hingegen ist es ganz anders: Die Region um den Aralsee hängt stark am Gletscherwasser, weil es im Sommer extrem trocken ist, zehn der 40 Millionen Menschen würden leiden, wenn kein Schmelzwasser käme. So zeigt es der PIX, der „Populationsindex", in dem die Forscher das Geschehen der Natur mit der Bevölkerungsdichte der Menschen kombinieren. Die Aralregion ist die große Ausnahme, der PIX des Ganges liegt bei 2,4 (Millionen Menschen von 448), der der europäischen Flüsse unter 1, im Einzugsgebiet der Donau etwa leben 81 Millionen Menschen, 310.000 würden leiden, wenn kein Gletscherwasser käme.
„Das ist schon eine Menge, und es würde - wie überall - vor allem höhere Regionen treffen, die näher an den Gletschern sind", will Marzeion nicht abwiegeln: „Aber es sind doch verhältnismäßig geringe Zahlen", und zwar, mit Ausnahme der Aralregion - und vielleicht der USA, die erstaunlicherweise kaum Daten über ihre Gletscher haben -, weltweit. Sie sind so gering, dass vermutlich andere Faktoren (Schnee, jährliche Variation der Niederschläge) größere Rollen spielen. (Pnas, 8. 11.) jl

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