Im alten Wein ist noch viel genetisches Potenzial

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Genanalyse bestätigt archäologische Befunde: Die Rebe wurde vor 8000 Jahren im Nahen Osten domestiziert und später auch in Europa kultiviert. Aber gekreuzt wurde wenig: Die Genpools sind klein.

Kaum hatte Noah wieder Land unter den Füßen, da „begann er, die Weinrebe zu pflanzen. Als er vom Wein trank, wurde er berauscht und lag entblößt im Inneren seines Zelts" (Genesis 7, 20). Früh ging es los mit der Domestizierung der Reben, vor etwa 8000 Jahren in Vorderasien. Zunächst war man an Speisetrauben interessiert, aber der Wein kam bald: Im armenischen Teil des Zagros-Gebirges - nicht weit von Noahs mutmaßlichem Weinberg Ararat entfernt - wurde gerade in einer Höhle eine 6100 Jahre alte Winzerei gefunden, in der alles erhalten ist, von einer Kuhle aus Ton, in der die Reben wohl mit den Füßen ausgepresst wurden, bis zu Trinkgefäßen aus Ton und Horn.

Zudem fand man Traubenkerne und Reste gepresster Beeren. Einfach zu Saft wurden die nicht, erklärt Ausgräber Gregory Sherian (Los Angeles): „Saft wäre rasch sauer geworden, es gab damals keine andere Konservierungsmethode als Fermentation." Dass dabei wirklich Trauben zu Wein wurden, zeigt ein neu genutzter Marker: Bei früheren Funden achtete man auf Weinsäure und Harz, aber Weinsäure gibt es in zahlreichen Früchten, und Harz wird zu vielen anderen Zwecken verwendet. Deshalb konzentrierte man sich diesmal auf Malvidin, ein Pflanzenpigment. Das kommt in der Region sonst nur in Granatäpfeln vor, aber von denen gab es keine Spuren in der Höhle (Journal of Archeological Science, 11. 1.).

Es braucht so feine Instrumente, um der Geschichte des Weins auf die Spur zu kommen. Dem einfachen Blick gibt sie sich nicht preis: Dieselbe Sorte kann in der Wachau ganz anders aussehen als in Norditalien, und die Namen verwirren noch mehr: Blauer Portugieser aus Bad Vöslau hat wenig mit Portugal zu tun. Kristina Sefc (Uni Graz) bemerkte es früher an den Genen von 156 Sorten, sie schätzte auch, dass es „etwa 5000 bis 6000 Rebsorten gibt, aber mindestens drei Mal so viele Namen. Oft weiß man nicht einmal, dass es die gleiche Sorte ist" (American Journal for Enology and Viticulture, 54, S. 15).

Aber Sorten gibt es schon auch genug, und in ihnen liegt noch viel bereit: Sean Myles (Cornell) hat über 1000 Proben von wilden und domestizierten Weinreben auf ihre Gene analysiert und zunächst bestätigt, dass der Wein im Nahen Osten domestiziert und vor etwa 4000 Jahren von den Griechen nach Westeuropa gebracht wurde. Dort gingen Züchter an die Arbeit, sie kreuzten wilde europäische Reben ein. Aber untereinander wurden die so entstandenen Sorten nur selten gekreuzt, das ist Myles' zentraler Befund: Reben können sich geschlechtlich und ungeschlechtlich vermehren, in der Hortikultur überwiegt Letzteres, das geht erstens einfach und hält zweitens die Sorten rein. Die wurden im Zuge der Kultivierung zwar auch verbessert, aber vor allem durch die Auslese von Mutationen, die etwa größere Beeren oder eine hellere Farbe hatten. Dann wurden diese vegetativ vermehrt, über lange Zeiten, viele Sorten sind alt.

Reiner Wein, ein zweischneidiges Schwert

Das bringt eben Reinheit in den Wein, ist aber für die Forscher ein „zweischneidiges Schwert": Die Genpools der einzelnen Sorten sind schmal. Das hat gegen Ende des 19. Jahrhunderts dafür gesorgt, dass fast alle europäischen Reben der Reblaus zum Opfer fielen, US-Sorten halfen aus. Und das führt heute dazu, dass beim Anbau von Reben - auf acht Millionen Hektar weltweit - Chemie zum Einsatz kommt wie bei kaum einer anderen Nutzpflanze. Hier könnte eine vertiefte Kenntnis des gesamten Genpools aller Reben und seine Nutzung helfen: „Die Rebe erlebt ernsten Druck von Pathogenen, und die langfristige Nachhaltigkeit der Reben- und Weinindustrie wird vom Nützen der enormen natürlichen Genvielfalt der Trauben abhängen", schließt Myles (Pnas, 17. 1.).

Das Besondere am Uhudler

Nach der Reblausplage konnten die meisten europäischen Weinsorten nur erhalten werden, indem man Triebe auf die Wurzeln amerikanischer Reben aufpfropfte. Rebstöcke, die auf ihren eigenen Wurzeln wachsen, nennt man dagegen Direktträger. Ein solcher ist der Rebstock, auf dem der burgenländische (einst verbotene) Uhudler wächst. Er ist eine Kreuzung aus amerikanischen und europäischen Rebsorten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.01.2011)

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