Ein Drittel aller Grauwaljungen fällt Orcas zum Opfer

Drittel aller Grauwaljungen faellt
Drittel aller Grauwaljungen faellt(c) AP (Ken Balcomb)
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Killerwale machen ihrem Namen alle Ehre, sie dezimieren viele Beutepopulationen, auch Robben und selbst Pinguine. Am stärksten aber leiden die Grauwale.

Wenn Grauwalweibchen mit ihren Jungen nach ihrer bis zu 10.000 Kilometer langen Wanderung den Pazifik hinauf bei Unimak Island im Golf von Alaska eintreffen, sind sie fast am Ziel, vor ihnen liegen die fischreichen Gewässer der Beringsee. Aber sie sind entkräftet – die Weibchen haben zwei bis drei Monate nichts gefressen und doch die Jungen gesäugt –, und sie werden erwartet, von Killerwalen. Die heißen auch Walkiller oder Orcas und sind in den Augen von Menschen trotz ihrer acht Meter Länge putzig („Free Willy!“). Aber sie machen ihrem Namen Ehre, „Orca“ spielt nicht zufällig auf die Unterwelt an: Auf dem Meeresboden bei Unimak Island vermutet Meeresbiologe Lance Barret-Lennard (Vancouver) tausende Skelette von Grauwalen. Die sind zwar größer als ihre Jäger – schon ein Junges bringt es auf zehn Meter –, aber deren Techniken sind ausgefeilt, sie kommen im Rudel, trennen die Jungen von den Müttern, attackieren besonders verletzliche Körperstellen wie die Zunge, hindern die Beute am Luftholen. Das können die Forscher nur selten direkt beobachten, aber sie sehen die Spuren, Killerwale mit blutigen Mäulern etwa, und sie schließen daraus, dass ein Drittel aller Jungen in Orca-Mägen landet. Von denen sind nicht alle Waljäger, es gibt verschiedene „Ökotypen“, manche ernähren sich von Fischen. Und andere jagen anderes: Manche sind auf Robben spezialisiert – sie machen Wellen, die die Tiere von der Küste ins Meer reißen –, andere auf Pinguine, in der östlichen Antarktis verschwanden in den 70er-Jahren 50 Prozent der Königspinguine, ein starker Verdacht fiel auf Orcas.

Ist die ganze Population gefährdet?

Und viele jagen eben Wale, kleine Narwale etwa, aber auch große und zahnbewehrte Pottwale. Am stärksten aber leiden die Grauwale: Sie haben keine Zähne, sondern Barten, wehren sich mit Flossenschlägen oder flüchten in seichte Gewässer. Trotzdem sind ältere Tiere derart mit Bissnarben übersät, dass die Forscher vermuten, jedes sei als Jungtier attackiert worden. Viele überleben, aber überlebt auch die Population? Im Ostatlantik gibt es etwa 19.000 Grauwale. „Das sollte genug sein, dem Jagddruck zu widerstehen“, hofft Walforscher Steven Swartz (Baja California). Und die Grauwale lernen, stellen ihr Verhalten um, verlegen Wanderrouten, tauchen seltener auf. Allerdings hängt alles an der Reproduktionsquote. Und die ist aus unbekannten Gründen in der letzten Zeit zurückgegangen (Science, 331, S.274). jl

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.01.2011)

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