Wie große Räuber für reiches Leben sorgen

Ökologie. Wo in Australien die Dingos ausgerottet wurden, sind bald auch viele kleine Säuger verschwunden.

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ie Liebe zu wilden Tie ren, insbesondere zu Räubern, wächst mit dem Grad der Entfernung. Mögen sie in Afrika ihre Löwen schützen und in Asien ihre Tiger! Mitteleuropa gerät schon über einen "Problembären" in Aufruhr, und in den französischen Pyrenäen, wo die verbliebene Bärenpopulation mit Importen vom Balkan gestärkt werden soll, fliegen die Fäuste und Morddrohungen (Science, 314, S. 746). Warum sollte es ausgerechnet in Australien anders sein? Der größte dortige Räuber, der Dingo, ein Abkömmling der Hunde, wurde vor 3500 bis 4000 Jahren von asiatischen Einwanderern mitgebracht, seit Ende des 19. Jahrhunderts wird er quer durch das Land verfolgt - er holt sich Schafe, er soll bisweilen auch Menschen angreifen. Weg mit ihm, wozu soll er gut sein?

Dass die Existenz ganzer Ökosysteme von den großen Räubern an der Spitze abhängen kann, wurde 1960 von drei Forschern vermutet, deren Name in die "Hairston-Smith-Slobodky-Hypothese" von der "Green World" einging: Gäbe es keine Raubtiere, würden die Pflanzenfresser alles Grün so knapp halten, dass die Erde braun aussehen würde.

Das hat sich oft mehr als bestätigt, etwa im Banff National Park in den USA. Dort sind seit 1986 die 100 Jahre zuvor vertriebenen Wölfe wieder eingewandert, sie haben das Ökosystem revolutioniert ("zurückgedreht"): Nach der Vertreibung der Wölfe hatten sich ihre bevorzugten Beutetiere - Elche - stark vermehrt und ihr bevorzugtes Futter - Birken, Pappeln - schon als Schösslinge gefressen. Kein Baum kam mehr hoch, viele Vögel hatten nichts mehr, worauf sie Nester bauen konnten, und die Biber wanderten ohne das Staudamm-Baumaterial auch ab. Als die Wölfe kamen, kamen beide wieder - und alle drei zeigten, dass ihr Ökosystem von oben reguliert wird ("top down"), von den Räubern, und nicht von unten ("bottom up"), von der Verfügbarkeit des Futters für die Beutetiere, her.

Ähnliche Beispiele gibt es viele, die Dingos in Australien zeigen nun eine zweite Variante des "top down", eine Gruppe um Christopher Johnson (James Cook University, Townsville) hat es gezeigt: Wo die Dingos ausgerottet wurden, verschwanden bald auch viele kleine Säuger, 18 Arten, die Hälfte der weltweit ausgestorbenen seit 200 Jahren.

Ihnen hatten die Dingos nicht so intensiv nachgestellt, sie jagen auch mittelgroße Säuger und Emus. Hinter den Kleinen waren andere Räuber her, auch sie vom Menschen eingeführt, Füchse und Katzen. Unter ihnen verbreiteten die Dingos Angst und Schrecken - und als sie, die "Top-Prädatoren", weg waren, konnten sich die "Meso-Prädatoren" breitmachen: "In Neusüdwales begann die Ausrottung der Dingos um 1880, ab 1900 explodierten die Fuchs-Populationen, nach wenigen Jahren waren die Känguru-Ratten verschwunden" (Proceedings B, 1. 11.).

Das Muster finden die Forscher quer durch Australien: "Dingos sind die Schlüsselart bei der Erhaltung der Vielfalt der Säugetiere des ganzen Kontinents. Man sollte ihre ökologische Rolle überdenken."

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