Wandten die Ahnen die Eiszeit ab?

(c) AP (PROFESSOR LONNIE THOMPSON)
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Die Erfindung der Agrikultur habe die Erde erwärmt, vermutet die „Hypothese vom frühen anthropogenen Einfluss“. Sie schien tot, ist aber wieder da.

Die Eiszeiten kommen und gehen in einem präzisen Takt, den die Himmelsmechanik mit den Zyklen schlägt, in denen die Erde ihre Neigung und den Abstand zur Sonne ändert: Auf 100.000 Jahre Eiszeit folgen 10.000 Jahre Warmzeit. So war es früher. Aber die letzte Eiszeit ging vor 12.800 Jahren zu Ende, die nächste ist längst überfällig. Zur Erklärung formulierte William Ruddiman (University of Virginia) 2003 die „Hypothese vom frühen anthropogenen Einfluss“: Die Erfindung der Landwirtschaft habe die anbrechende Eiszeit vertrieben.

Ruddiman war an Eisbohrkernen ein seltsames Muster der Treibhausgase aufgefallen: Am Ende früherer Eiszeiten war viel Kohlendioxid (CO2) und Methan (CH4) in der Luft, dann sanken die Gehalte kontinuierlich. So war es auch nach der letzten Eiszeit, zunächst. Aber vor 7000 Jahren stiegen die CO2-Werte wieder, vor 5000 Jahren auch die von CH4. Das sind frappierende Jahreszahlen: Vor 7000 Jahren verbreitete sich die Landwirtschaft über Eurasien und verwandelte Wälder in Felder, das setzte CO2 frei; vor 5000 Jahren wurde in China Reis angepflanzt, auf überfluteten Feldern, aus denen stieg CH4.

Drei Grad plus durch CO2 und CH4

Beides zusammen hätte die Temperatur um drei Grad angehoben, rechnete Ruddiman. Das brachte ihm Kritik: Zum einen war die Menschheit klein, als sie die Agrikultur erfand; zum anderen deutete das CO2 in den Bohrkernen von seinen Isotopenmustern her nicht auf Biomasse. Thomas Stocker (Bern) zeigte es und sah darin den „Sargnagel“ für Ruddimans These (Nature, 461, S.507). Aber die ist lebendiger denn je: Auf einer Konferenz der American Geophysical Union bekamen er und seine Mitstreiter breiten Raum: Das biogene CO2 liege in Mooren begraben – Stocker habe das stark unterschätzt, argumentierte Ruddiman.

Und die frühe Menschheit sei wohl klein gewesen, habe aber viel Land verbraucht – für die gleichen Erträge das Zehnfache wie heute –, ergänzte Jed Kaplan (Lausanne). Auch beim Methan habe man eine frühe Quelle übersehen, die Rinder, erklärte Dorian Fuller (alle: online in Holocene). „Natürlich bin ich hoffnungslos voreingenommen“, erklärte Ruddiman auf der Konferenz: „Aber dieses Jahr wird ein gutes Jahr für die Hypothese vom frühen menschlichen Einfluss.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.03.2011)

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