Kybernetik: "Upgrade für den Menschen!"

Kybernetik Upgrade fuer Menschen
Kybernetik Upgrade fuer Menschen(c) EPA (Andy Rain)
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Der Kybernetiker Kevin Warwick hat bereits mit Mikrochips in seinem Körper gelebt. Ein Gespräch über Beweggründe, Hoffnungen – und Risken.

Sie versuchen, das Nervensystem mit Computern zu verknüpfen. Warum tun Sie das?

Kevin Warwick: Neben vielen medizinischen Chancen, die das eröffnet, ist mein Hauptinteresse die Grundlagenforschung. Ich möchte herausfinden, welche neuen Möglichkeiten sich ergeben, wenn wir Menschen und Technologie miteinander verknüpfen. Wir stecken immer mehr Intelligenz in technische Systeme, es gibt daher das Bedürfnis, den Menschen upzugraden, ihm mehr Fähigkeiten zu verleihen.

Wie meinen Sie das?

Wenn wir immer intelligentere Maschine haben, dann will ich persönlich nicht von diesen Maschinen kontrolliert werden. Ich würde lieber meine Fähigkeiten verbessern, anstatt zum Sklaven zu werden.

In welchen Bereichen sollte man den Menschen Ihrer Meinung nach verbessern?

Da gibt es viele. Beim Wahrnehmen der Welt durch unsere Sinne sind wir sehr begrenzt. Auch unsere Kommunikationsleistung können wir verbessern. Im Vergleich dazu, wie Technologie kommuniziert, sind wir schwach. Unsere serielle Sprache wird der Komplexität dessen, was in unseren Gehirnen passiert, nicht gerecht. Das könnten wir verbessern, wenn wir Signale parallel von Gehirn zu Gehirn austauschen. Die Verbindung des Gehirns zu Computern eröffnet uns die Möglichkeit, die Welt in mehr Dimensionen wahrzunehmen. Wir wissen nicht, wohin uns das führt. Es eröffnet jedenfalls ein ganz neues Feld für die Forschung.

Laufen wir in fünf oder zehn Jahren alle als Cyborgs durch die Welt?

In fünf oder zehn Jahren wird die Technologie Menschen mit Behinderungen helfen können. So, wie man jetzt schon Menschen mit Parkinson helfen kann. Bei der Kommunikation zwischen Gehirnen werden wir in fünf bis zehn Jahren die ersten Experimente sehen. Ein Gerät dafür wird man dann aber noch nicht im Geschäft kaufen können. Vielleicht in 20 oder 25 Jahren.

Mit der Technologie sind viele ethische Fragen verbunden, etwa: Sollen wir das tun?

Wissenschaft an der Grenze eröffnet neue Wege, löst aber immer auch viele Fragen aus – ethische, soziale, philosophische. Was bedeutet das für uns Menschen? Wer wird die Technologie haben? Wie behandeln wir Menschen, die die Technologie nicht haben? Es rüttelt auch an der Basis des europäischen Denkens, etwa an der Unterscheidung Descartes' zwischen Geist und Materie. Es ist wichtig, dass wir Wissenschaftler für solche Fragen offen sind.

Was ist Ihrer Meinung nach die Essenz des Denkens?

Wenn wir Gehirne mit Computern verknüpfen, dann fließen Signale. Aber was diese bedeuten, wie Erinnerungen gespeichert werden, und wie ein Teil den anderen beeinflusst, ist eine sehr komplexe Sache. Ich verstehe nicht, was Gedanken genau sind, aber das hindert mich nicht daran, Experimente durchzuführen und die Resultate von Gedanken dafür zu benutzen, etwas Neues zu schaffen. Vielleicht helfen uns die Versuche dabei zu verstehen, was Gedanken genau sind.

Sie waren schon zwei Mal in Ihrem Leben ein Cyborg. Planen Sie weitere Versuche an sich selbst?

Ja, sicher. Ich will ein Implantat in meinem Gehirn haben und es mit dem Computer verknüpfen. Ich habe immer gesagt, ich mache das erst mit 60 Jahren – also habe ich noch drei, vier Jahre Zeit (lacht). Aber das will ich wirklich.

Verstehe ich Sie richtig, dass wir uns nicht davor fürchten sollten, Cyborgs zu werden?

Nein, man sollte sich nicht fürchten, sondern gespannt sein. Es gibt natürlich Risken und Gefahren. Es ist ein völlig neuer Kontinent der Wissenschaft, es ist wie Amerika zu entdecken. Wie wissen nicht, was uns dort erwartet. Aber es ist aufregend. Wir müssen offen für eine mögliche Zukunft sein, wohin wir Menschen uns entwickeln können.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.04.2011)

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