Ernährung: Wie Fett fröhlich stimmt

(c) Clemens Fabry
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Der Darm meldet dem Gehirn auf direktem Weg Nahrhaftes. Das gerät in Euphorie und will mehr. Man stopft gerne Süßes und/oder Fetthaltiges in sich hinein, wenn man traurig ist oder gestresst.

Dass der Mensch „ist, was er isst“, den Satz von Feuerbach kennt jeder, er hat dem Philosophen den Ruf eines Einfaltspinsels eingetragen, zu Unrecht: Ihm ging es (auch) um soziale Fragen – „Wollt ihr das Volk bessern, so gebt ihm statt Deklamationen gegen die Sünde bessere Speisen!“ –, und er wusste wohl, dass der Mensch auch nur isst, was er ist: „Ist nicht der Magen des gebildeten Menschen ein anderer als der des rohen?“ Damit brach er Descartes' Primat der Vernunft, er hob den Körper auf die gleiche Ebene wie das Gehirn und sah beide im Wechselspiel.

Für die Weitsicht danken ihm heute Ernährungsforscher wie Lukas van Oudenhouve (Leuven), sie nennen den Zusammenhang „Homöostase“: Der Körper hält sich im Gleichgewicht, wir werden nicht gleich dick, wenn wir schlemmen, wir mergeln nicht gleich aus, wenn wir fasten. So ist es bzw. so war es, seit 30 Jahren greift die „Epidemie der Fettleibigkeit“ um sich, die Homöostase funktioniert bei vielen nicht mehr, vor allem in den sozialen Schichten, denen Feuerbach bessere Speisen gönnen wollte.

Aber es hängt nicht nur am Sozialen, sondern auch an der Stimmung: Man stopft gerne Süßes und/oder Fetthaltiges in sich hinein, wenn man traurig ist oder gestresst. Das schmeckt gut, aber der Konnex liegt tiefer: Oudenhouve bat Testpersonen ins Labor und machte manche mit trauriger Musik traurig, andere bekamen Neutrales zu hören. Und alle bekamen etwas in den Darm, mit einer Sonde: Auge, Geschmack und Geruch waren außer Kraft.

Alter, einst sinnvoller Regelkreis

Und doch wirkte die Speise: Manche Testpersonen bekamen Fett, andere salziges Wasser. Und bei denen, die traurig waren und Fett erhielten, hellte sich die Stimmung auf, stark (J. Clin. Invest. 25.7.): Der Darm meldet dem Gehirn Nahrhaftes – auf noch unklaren Wegen –, das gerät in Euphorie und ruft nach mehr. Das ist ein evolutionärer alter Regelkreis, der in Zeiten ungesicherter Versorgung höchst sinnvoll war. Aber in der heutigen Überfülle trägt er zum Zusammenbruch der Homöostase bei und zur Aufblähung der Leiber. jl

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.07.2011)

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