Anthropologie: War Homo erectus der erste Mann am Herd?

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Die frühe Nutzung des Feuers zum Veredeln von Speisen habe den Menschen erst zum Menschen gemacht und sein Gehirn stetig wachsen lassen, vermuten Forscher. Allerdings haben die Wissenschafter auch ein Problem.

Am Anfang war das Feuer, nicht erst im gleichnamigen Film, sondern schon im Mythos: Als Prometheus die Menschen schuf, formte er sie aus Ton und brannte ihn, dann brachte er ihnen das Feuer und lehrte sie den Umgang damit. Das machte sozial: „Als infolge der Entdeckung des Feuers ein Zusammenlauf entstanden war, brachte es sie zu Gesprächen untereinander, und sie begannen, Hütten zu bauen“, spann der römische Architekturtheoretiker Vitruv die Geschichte weiter. Und noch ein paar Jahrhunderte später vermutete Darwin, Kochen könne „harte Wurzeln verdaubar machen und giftige ungefährlich“.
All diese Fäden verwebt Richard Wrangham, Primatologe in Harvard, seit 1999 zum immer dichteren Gewebe der „Koch-Hypothese“: „We are cookivores“, erklärt der Forscher und meint damit, dass erst das domestizierte Feuer bzw. die Veredelung von Speisen damit den Menschen zum Menschen machte: Unsere ersten Ahnen, die sich vor fünf, sechs Millionen Jahren von denen der Schimpansen trennten, hatten so kleine Gehirne wie heutige Schimpansen, 400 Kubikzentimeter. Wir haben im Durchschnitt 1200 – es schwankt individuell stark –, den größten Schritt tat Homo erectus vor etwa 1,8 Millionen Jahren, er brachte das Volumen des Gehirns auf 1000 cm3.
Aber die müssen erst einmal ernährt werden: Das Gehirn ist unser aufwendigstes Organ, 60 Prozent aller Energie gehen bei Neugeborenen hinein, 25 bei Erwachsenen, bei Affen sind es acht. Was konnte diesen Energiehunger stillen? Lange setzte man auf Fleisch bzw. Steinwerkzeuge, die erst bei der Jagd und dann beim Zerteilen halfen. Aber Steinwerkzeuge wurden früher erfunden – vor 2,5 Millionen Jahren –, und erjagbares Fleisch ist rar, selbst heutige Jäger und Sammler können damit ihren Unterhalt nicht sichern. Aber in einem einzigen Quadratkilometer Savannenboden Ostafrikas – wo der Mensch entstand – stecken 40 Tonnen essbare Wurzeln, auch sie sind energiereich. Und wer sie kochen kann – statt sie roh zu zerkauen –, steigert dabei die Energieaufnahme um 43 Prozent, das hat Wrangham früher erhoben. Dann kam er bei Fleisch zu ähnlichen Befunden (Science, 316, S. 1558).

Freier Kiefer, freie Zeit

Eine derartige Umstellung der Ernährung hat Folgen, physiologische zunächst: Ein weiteres energieaufwendiges Organ – der Darm – konnte verkleinert werden, der Kiefer und seine Muskeln auch, möglicherweise hat das das Sprechen ermöglicht. Und noch etwas wurde frei: Zeit. Deren Gewinn ist Wrangham nun nachgegangen: Schimpansen und andere Primaten mampfen den halben wachen Tag, wir verbringen etwas über eine Stunde damit, um die fünf Prozent unserer Zeit. Aber von der Körpergröße und Physiologie müssten wir fast zehn Mal so viel aufwenden, 48 Prozent unserer Zeit. Neun Zehntel ersparen wir uns durch das Kochen und Braten und Garen und Sieden, so bekamen wir den Kopf und die Hände frei für die Entwicklung unserer Kultur, auch für unser Sozialleben: Gekochtes musste bewacht werden, deshalb taten die Menschen sich zu Paaren zusammen, auch das steckt in Wranghams Hypothese.
Aber seit wann? Die Antwort sucht der Forscher in den Körperteilen, die dem Zahn der Zeit am stärksten trotzen, den Zähnen, vor allem den Mahlzähnen. Die unserer Ahnen hat Wrangham ausgewertet, sie verkleinerten sich in zwei Schüben, erst bei H. erectus, dann bei H. sapiens (und auch bei den Neandertalern). Der erste Schub war der größere, exakt wie beim Gehirn (Pnas, 22. 8.). Das trifft sich gut – weiches Essen, kleine Zähne, großes Hirn –, und es hat Charme: „Die Anpassungen kamen nach der Enstehung von Homo, aber mit der Entstehung von H. erectus“, schließt Wrangham.
Aber er hat auch ein Problem: Dafür, dass schon H. erectus mit Feuer umgehen konnte, gibt es keinen direkten Beleg, das früheste unumstrittene domestizierte Feuer brannte vor 780.000 Jahren, an einem einzigen Ort in Israel. Alle anderen Spuren kamen viel später, und nicht in Afrika, sondern in Europa: Dort hatten ganz besondere Menschen die Kontrolle des Feuers erfunden, Neandertaler (unabhängig von ihnen gelang es etwas später auch in Afrika). Es ging wohl um Wärme im kalten Norden, es ging auch um Pyrotechnik, die Neandertaler stellten mit Feuer Klebstoff her (Pnas, 14. 3.).
Wenn es aber nicht das Feuer war, was machte dann den Menschen? Seit einiger Zeit drängt ein neuer Kandidat, Fisch, seine Omega-3-Fettsäuren lassen Gehirne wachsen. Und ihn kann man auch roh verzehren. Möglicherweise sollte man also neben der Hypothese vom Kochen noch eine erwägen, die vom Sushi.

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