Findet sich ein Jungbrunnen für das Gehirn im Blut?

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Eine internationale Gruppe mit Salzburger Beteiligung hat ein Protein identifiziert, das die Bildung von Hirnzellen bremst. Abgestorbene Zellen werden aber auch auf natürlichem Wege im Gehirns ersetzt.

Die Schrecken der alternden Gesellschaft sind die Alterskrankheiten des Gehirns, allen voran Morbus Alzheimer, der mit extremem Aufwand erforscht wird. Ergebnisse gibt es kaum, und dieses Missverhältnis liegt möglicherweise daran, dass sich die Forschung auf die „pathologischen Prozesse im Gehirn selbst und die dabei mitwirkenden Gene“ konzentriert, vermutet Ludwig Aigner, Altersforscher an der Medizinischen Privatuniversität Paracelsus in Salzburg. Er sucht im Rahmen einer internationalen Gruppe einen Ausweg aus der Sackgasse in einer doppelten Weitung des Blicks: Einmal soll er über Krankheiten wie Alzheimer hinaus auf das Altern des Gehirns insgesamt gehen, und zum Zweiten über das Gehirn selbst hinaus.

Dessen Zellen werden mit der Zeit müde, exakter: Die Stammzellen des Gehirns werden es. Lange dachte man, dass die Zellen des Gehirns im Unterschied zu allen anderen Körperzellen nie erneuert werden. Aber seit einigen Jahren zeigt sich, dass es auch im Gehirn Regionen gibt, in denen Stammzellen für Nachschub sorgen, der abgestorbene Zellen ersetzen kann. Dieser Quell sprudelt mit fortschreitendem Alter immer dünner, das ist das eine. Aber es ist nicht alles: Die Hirnstammzellen hausen in besonderen Nischen, nahe bei Blutgefäßen, sie werden von dieser Umgebung beeinflusst. Das vermuteten die Forscher um Tony Wyss-Coray (Stanford) zumindest, als sie ein Experiment ausführten, das man sich lieber nicht so detailliert vor Augen führt: Sie nähten Mäuse bzw. ihre Blutkreisläufe zusammen, je zwei, ein altes und ein junges Tier.

Altes Blut macht junge Gehirne alt

Deren Blut vermischte sich, und die Wirkung stellte sich rasch ein: „Das Blut alter Mäuse wirkt sich negativ auf das Gehirn junger aus“, berichtet Aigner, der zur Arbeit ein molekulares Werkzeug beitrug, das das Entstehen neuer Zellen sichtbar macht. „Und umgekehrt: Das Blut junger Mäuse wirkt sich positiv auf das Gehirn alter aus.“ Das liegt nicht einfach am Blut, es liegt an Proteinen darin, 68 Kandidaten haben die Forscher durchgemustert, fündig wurden sie vor allem bei CCL11, es heißt auch Neotaxin (Nature, 477, S.90). „Für einen Neurowissenschaftler ist das überraschend, er würde es nie mit dem Gehirn in Verbindung bringen“, berichtet der Forscher: „Sondern mit dem Immunsystem.“

Denn dort ist Neotaxin ein Signalstoff. Was es mit dem Gehirn zu tun hat, ist unklar; man weiß auch nicht, wo und warum der Körper es mit dem Altern in größeren Mengen produziert, die dann das Wachstum neuer Hirnzellen bremsen und verhindern. Sicher ist nur eines: „Man müsste versuchen, Neotaxin pharmakologisch zu inhibieren“, schließt Aigner, „das versuchen wir im nächsten Schritt.“ jl

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.09.2011)

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