Transplantate von Schweinen: Inselzellen für Diabetiker

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Hoffnungen auf Xenotransplantation, der Verpflanzung von Geweben über Artgrenzen hinweg, mussten schon mehrfach vertagt werden. Nun kommt ein neuer Anlauf mit einzelnen Zellen und Hirnzellen.

Stellen Sie sich vor, Sie hätten ein Stück Schwein in sich, nicht temporär im Magen respektive Darm, sondern auf Dauer, als Transplantat: ein Herz, eine Niere, eine Leber. Von der Größe her würden solche Organe passen - Schweine und Menschen unterscheiden sich in dieser Hinsicht wenig -, und vielleicht wäre ein Ersatzorgan von einem Tier auch psychisch leichter verkraftbar als das Warten auf den Unfalltod eines Discobesuchers auf dem Heimweg in der Samstagnacht. Aber ginge es technisch?
In den 60er-Jahren, als die Chirurgen immer größere Erfolge beim Transplantieren von Organen hatten, zeigte sich bald das Problem des Spendermangels. Man wich auf Herzen und Nieren von Schimpansen aus, musste die Versuche aber abbrechen, die Patienten starben an „hyperakuter Zurückweisung", ihr Immunsystem tötete das fremde Gewebe rasch. Erst in den 80er-Jahren war man mit Medikamenten, die die Immunabwehr unterdrücken, so weit, dass man einen neuen Versuch wagte, diesmal nicht mit ganzen Organen, sondern mit einzelnen Zellen, Hirnzellen, wieder von Schimpansen.

Risiko: Retroviren im Transplantat

Damit wollte man Parkinson-Patienten helfen, aber man musste neuerlich abbrechen: Zwar wurde dieses Gewebe eher akzeptiert - im Gehirn ist das Immunsystem weniger aktiv -, aber in ihm lauerten Gefahren: Gerade war das Retrovirus HIV auf die Menschen gekommen, von Schimpansen, so etwas wollte man nicht mit transplantieren. Deshalb wandte man sich anderen Tieren zu, Schweinen, sie haben den Vorteil, dass sie leichter zu züchten und uns weniger eng verwandt sind, das mildert ethische Bedenken. Aber auch ihre Gewebe lösen „hyperakute Zurückweisung" aus, es liegt vor allem an einem Zucker in ihren Zellmembranen. Dessen Produktion schaltete man gentechnisch in Versuchsschweinen aus, zugleich baute man ihnen Gene von Menschen ein, die das Immunsystem dämpfen. Ende der 90er-Jahre standen erste Herden bereit, die Hoffnungen waren groß, der Hype noch größer. Dann kam ein neues Problem: Auch Schweine haben Retroviren - „porcine endogenous retroviruses", PERVs -, die bringt kein gentechnischer Trick aus ihrem Genom heraus. Nach langen Forschungen kam Teilentwarnung: PERVs seien „kein substantielles Risiko" (The Lancet, 21. 10.).

So fassen es Ärzte um David Cooper (Pittsburgh) zusammen, die nun danach fragen, wie es um die „nächste medizinische Revolution" steht. Bei Organen nicht gut. Es hat sich gezeigt, dass das Immunsystem nicht nur mit „hyperakuter Zurückweisung" reagiert, sondern mit einer breiten Palette von Abwehr. Die ist so stark, dass es keine Hoffnung auf Herzen oder Nieren vom Schwein in absehbarer Zeit gibt. Bei einzelnen Zellen sieht es anders aus, an Versuchsaffen halten sich Hirnzellen und Inselzellen - sie produzieren Insulin - über ein Jahr, lange genug, um Tests an Menschen zu wagen.

Einer mit Inselzellen für Diabetiker läuft in Neuseeland, wohlreguliert. Was sonst noch läuft und wie, liegt weithin im Dunkeln: Eine Bilanz der Weltgesundheitsorganisation WHO fand 29 Menschenversuche in den letzten 15 Jahren, mit Zellen, mit Organen (Transplantation, 90, S. 597). Aber die meisten fanden in Ländern statt, in denen es keine Regeln für Xenotransplantationen gibt.

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