Stammzellen: Erster Test an Menschen wird nicht fortgesetzt

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Die US-Firma Geron, die letztes Jahr mit einem Versuch an Querschnittsgelähmten begann, zieht sich aus dem Feld zurück. Der Firma ist das Geld ausgegangen.

1998 wurden die embryonalen Stammzellen (ES) des Menschen entdeckt, unter anderem von James Thomson (University of Wisconsin). Sie wurden zur großen Hoffnung der Medizin, weil man aus ihnen theoretisch Transplantate für alle Zelltypen gewinnen kann. Ob das auch in der Praxis geht, wollte Thomson zehn Jahre später gemeinsam mit der Firma Geron testen. Sie ist eines der avanciertesten Unternehmen auf diesem Gebiet und stellte ihren Zulassungsantrag – für die versuchsweise Behandlung von Querschnittsgelähmten mit Nervenzellen aus ES – an die zuständige Behörde (FDA) im März 2008. Bedenken der FDA verzögerten die Tests, im Juli 2010 war es so weit, man begann mit vier Patienten. Zunächst ging es um die Sicherheit der Kur: Die hat sich bestätigt, eine Besserung des Leidens zeigte sich allerdings nicht.

Aber das ist nicht der Grund, weshalb Geron die Tests jetzt nicht fortsetzt, sondern nur die vier Patienten weiter versorgt. Der Firma ist vielmehr das Geld ausgegangen, deshalb stellt sie alle Aktivitäten auf dem Gebiet der ES ein. Hintergrund ist die Konkurrenz anderer Zellen (induzierte pluripotente Zellen, iPS), die die ES bzw. die Patente darauf entwerten, Geron hält viele (Science Now, 15.11.). „Das wird eine sehr entmutigende Wirkung haben“, fürchtet Robert Lanza von Advanced Cell Technology, dem einzigen Mitbewerber, der auch klinische Tests mit ES am Laufen hat: „Es gibt in diesem Feld so viel Potenzial, und es wäre eine Schande, wenn es nicht mit voller Kraft vorankäme“ (The Scientist, 14.11.).

Abtreibungsgegner bedrohen Forschung

Die Kraft ist auch von anderer Seite bedroht: In den USA läuft eine Kampagne („Personhood“), die Embryos ab dem Moment ihrer Zeugung – und nicht erst ab dem ihrer Einnistung im Uterus – Menschenrechte verleihen will. Sie richtet sich primär gegen Abtreibung, würde aber auch die künstliche Befruchtung treffen. Bei ihr werden Embryos im Überschuss produziert, damit man auf den Vorrat zurückgreifen kann, wenn der erste Versuch misslingt. Der Vorrat dürfte nicht mehr angelegt werden, falls „Personhood“ sich durchsetzt, und damit wäre auch die ES-Forschung am Ende: Sie gewinnt ihre Zellen aus den überschüssigen Embryos. Der erste Vorstoß von „Personhood“ im Bundesstaat Mississippi ist zwar gescheitert, aber bald wird in anderen Bundesstaaten abgestimmt. Und auch im Bundesparlament läuft eine Initiative.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.11.2011)

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