Fitnessstudio für Stammzellen

Fitnessstudio fuer Stammzellen
Fitnessstudio fuer Stammzellen(c) AP (Andre Penner)
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Die Mikrobiologin Cornelia Kasper schafft die ideale Umgebung zur Aufzucht von Stammzellen – durch die Konstruktion von speziellen Geräten.

Im Prinzip geben wir ihnen eine Art Wohnzimmer.“ Cornelia Kasper versucht ein Bild aus dem Umfeld jedes Menschen zu zeichnen. Wohnzimmer, das bedeute eine Umgebung, in der sie sich wohl fühlen, in der sie ihre Eigenschaften entwickeln und Fähigkeiten erwerben können. Gemeint sind menschliche Stammzellen, die sich „möglichst gut vermehren sollen“; gemeint sind eben auch jene Geräte und Instrumentarien, in denen sich Stammzellen außerhalb des menschlichen Körpers entwickeln können.

Cornelia Kasper vom Department für Biotechnologie der Universität für Bodenkultur entwickelt – „mit meinem Team“, wie sie betont – „maßgeschneiderte Geräte, um in geschützten, geschlossenen System aus Stammzellen Gewebe nach bestimmten Kriterien herzustellen“. Die Uni-Professorin kam 2011 von der Uni Hannover nach Wien, wo sie sich dem Bereich der Zellkulturen verschrieben hat. Die Stammzellen seien sozusagen das Ersatzteillager für jedes Lebewesen. „Schon bei einer kleinen Verletzung alarmiert der Körper über chemische Stoffe Stammzellen, die zur lädierten Stelle wandern und eine Heilung bewirken.“

Das ist freilich nur ein Detail dessen, was Stammzellen können. Ständige Anwendungsgebiete betreffen das Einsetzen von neuen Herzklappen – menschliche Stammzellen werden auf eine Rinderklappe gesetzt, es wächst eine biologisch aktive Struktur – bis zur Eierstockerneuerung nach einer Krebserkrankung. Und natürlich bei jeder Transplantation.

Die Boku-Professorin bekennt, „gern handwerklich tätig“ zu sein. In ihrem Labor in der Boku werden entsprechende Geräte entwickelt, „Bioreaktoren sind quasi intelligente Marmeladegläser“, wie sie sagt. Wichtig ist, im Labor Bedingungen zu schaffen, die dem Körper nachgebildet sind. Die Zellen müssen für ihre künftigen Aufgaben wie in einem Fitnessstudio trainiert werden. Dazu ist ein Stützgerüst notwendig. Bei Knochen werden dafür keramische Materialien genommen und die Stammzellen in einer Nährlösung mit entsprechenden Wachstumsfaktoren in Richtung Knochen differenziert. Dazu wird ein „bewegtes System“ – ein Knochen muss ja bestimmten Belastungen standhalten – simuliert. Bei Sehnen werden Stammzellen wiederum einer Dehnbewegung unterworfen. Bei einer Nervenregeneration müsse man sich eine elektrische Simulation überlegen, sagt Kaspar. Aber so weit sei sie noch nicht. Die Zellen erhalten in den Geräten weniger Sauerstoff als außerhalb der Maschinen, da ja auch im Körper weniger Sauerstoff vorhanden ist.

Die Stammzellen selbst erhält Kasper in erster Linie aus Nabelschnüren und aus Fettgeweben (etwa nach Fettabsaugungen), also sozusagen aus menschlichen „Abfallprodukten“. Die Gewinnung embryonaler Stammzellen ist in Österreich (und Deutschland) untersagt. Adulte Stammzellen können zwar weniger als embryonale – aus embryonalen Stammzellen kann in entsprechender Umgebung ein ganzer Mensch werden“, skizziert Kasper ein Zukunftsszenario – doch durch die gute Verfügbarkeit kann die Wissenschaft manche Nachteile wieder ausgleichen.

Ein österreichisches Forschungsprojekt (gesponsert von Red Bulls „Wings for Life“) zielt auf die Wiedererlangung der Bewegungsfähigkeit von Querschnittgelähmten ab. Mit neuen Nervenbahnen soll das Rückenmark regeneriert werden. Hier überlegt sich die Forschungsgruppe Kaspars Kombinationen von mehreren Geräten und Materialien. Aber noch steckt dieses Projekt in den Anfängen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.06.2012)

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