Den Bakterien nach, rein in die Blase!

Lukas Neutsch suchte neue Wege, um Blasenerkrankungen zu behandeln: Er folgte „erfolgreichen“ Bakterien und fand ein Lektin als ideales Vehikel für Arzneimittelpäckchen.

Unsere Blase ist ein abweisendes Organ, was sinnvoll ist, schließlich will der Körper Urin ausscheiden, nicht absorbieren. Für die Therapie von Blasenerkrankungen ist das jedoch eine Krux: Der Heilerfolg von Stoffen, die in der Blasenwand wirken sollen (etwa Antibiotika oder Chemotherapeutika), ist mager. Lukas Neutsch, der die Aufnahme von Arzneimitteln biomimetisch, also nach einem Vorbild der Natur, verbessern möchte, fand ein vielversprechendes Bakterium: den „uropathogenen Escheria coli“-Keim. UPEC ist für die meisten Blasenentzündungen verantwortlich, die uns – vor allem Frauen – quälen. „Die Bakterien docken über Rezeptoren an die Blasenwand an und schaffen es dort, wo sie eigentlich gar nicht hingehören, von der Zelle aufgenommen zu werden“, erklärt der Pharmazeut.

Jede Zelle hat an der Oberfläche eigene Zucker. Besonders die Zucker von Tumorzellen unterscheiden sich von jenen von gesundem Gewebe. An Zucker binden Lektine: Diese weit verbreiteten Proteine finden sich beispielsweise im Blut, in Pflanzen oder in Mikroorganismen. Durch ihr Andocken an Zucker können sie verschiedenste Reaktionen auslösen. „Bestimmte Lektine erkennen nur bestimmte Zucker, das ist sehr selektiv“, erklärt Neutsch. Er geht davon aus, dass mit dem richtigen Lektin als „Greifarm“ und Türöffner Medikamente gut durch die Blasenwandbarriere gebracht werden könnten.

Im Vordergrund steht die Therapie von Blasenkrebs, eine gar nicht so seltene Krebsart mit hoher Rückfallquote (ca. 70 Prozent innerhalb von fünf Jahren), die nach wie vor mit jahrzehntealten Methoden behandelt werde. Für seine Dissertation (Uni Wien, Betreuer: Franz Gabor, Michael Wirth) testete er verschiedene pflanzliche Lektine. Das Lektin des Weizenkeims („Wheat Germ Agglutinin“) band im Laborversuch besonders gut an verschiedene Urothel-, also Blasenzelllinien, mit denen das Geschehen nachgebildet wird. Zudem konnten „Arzneimittelpäckchen“ mit dem Lektin an der Oberfläche gut an den Bestimmungsort geschafft werden. Selbst der gezielte Transport zu Tumorzellen dürfte funktionieren – Nebenwirkungen von Medikamenten könnten durch eine solche Treffgenauigkeit verringert werden.

In einem nächsten Schritt gilt es, die Ergebnisse an neu gewonnenen Humanzellkulturen und im Tierversuch zu testen. Nicht nur wir Frauen wünschen den Studien viel Erfolg!

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.09.2013)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.