Pflanzenparasiten zum Liebhaben

Natur im Garten
Natur im Garten(c) ORF (Hebert Jeitler)
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Die Mikrobiologin Sigrid Neuhauser erforscht Parasiten, die Kohlgewächse befallen. Der unerforschte Organismus schadet zwar der Ernte, tötet die Pflanze aber nicht.

Parasiten sind spannende Organismen, weil sie sich immer extrem schlaue Wege einfallen lassen, um an Energie zu gelangen. „Im Vergleich dazu sind Pflanzen gerade zu langweilig“, sagt Sigrid Neuhauser, Mikrobiologin an der Universität Innsbruck, „weil Pflanzen ihre Energie aus der Photosynthese beziehen.“ Parasiten haben dafür elegantere Mechanismen entwickelt, daher habe die Wissenschaftlerin, die für ihr neues Projekt den Start-Preis des Österreichischen Wissenschaftsfonds (FWF) bekam, die bisher unerforschten Parasiten eigentlich „lieb gewonnen“.

Die einzelligen Parasiten, von denen hier die Rede ist, heißen in der Fachsprache Phytomyxea oder Plasmodiophorida. Sie gehören zu einer eigenständigen Gruppe von Organismen, die bis vor ein paar Jahren noch völlig unbekannt waren. Sie sind nicht mit Tieren, Pflanzen, Pilzen oder Algen verwandt, sondern entwickelten sich über Millionen von Jahren unabhängig von anderen Arten. „Als normalsterblicher Naturliebhaber sind Sie diesen Organismen noch nie begegnet“, erklärt Neuhauser.

Für Ökonomen und Bauern sind diese Pflanzenparasiten freilich Schädlinge, weil sie Kulturpflanzen angreifen. Sie befallen den Wirt und lassen die Pflanze nicht mehr das machen, was sie eigentlich soll, nämlich wachsen und neue Samen ausbilden. Gerade bei Kohlgewächsen wie Brokkoli, Kohl, Kraut aber auch Raps, nisten sich die Parasiten in den Wurzeln der Pflanze ein. Die Pflanze überträgt ihre Energie dann in ihr Wurzelgewächs, während sie ihre Teile an der Oberfläche vernachlässigt.

Das heißt, dass beim Kraut die Köpfe klein bleiben und sich beim Raps die Samen, aus denen man das Salatöl oder den Biodiesel gewinnt, nur mäßig ausbilden. Unter der Erde bildet die Pflanze hingegen richtige Wurzelklumpen aus, weshalb sie von Bauern als Klumpfüße bezeichnet werden. Durch diese Parasiten gibt es weltweit zirka zehn Prozent Ertragsausfall bei Kohl- und Krauternten – inklusive Raps. Neuhauser will mit ihrem Projekt herausfinden, wie genau die Parasiten mit dem Wirten interagieren, damit ein Gegenmittel entwickelt werden kann – noch gibt es keines.

Das Besondere an den Parasiten ist aber, dass sie die Pflanze selbst nicht töten. Sie beeinflussen nur das Wachstum und die Vermehrung der Wirte. Ob sie für die Pflanze wirklich schädlich sind, oder nur ein unangenehmes Ärgernis, bleibt noch zu klären. Neuhauser vergleicht den lästigen Befall mit Zeckenbissen bei Menschen: „Die Zecke selber macht auch nicht viel, wenn sie nicht zufällig eine Krankheit überträgt.“ Parasiten wie Zecken holen sich die nötige Energie für das eigene Überleben, aber lassen den Wirten dabei am Leben.

Menschen könnten von den Parasiten ebenfalls lernen, nicht nur, was die Anpassungsfähigkeit an ihre Umwelt betrifft. Parasiten arbeiten nämlich auch sehr nachhaltig. Es wird zwar die Energie von den Wirten genommen, aber diese sterben nicht. „Diese Nachhaltigkeit könnten sich die Menschen gelegentlich von den Parasiten abschauen“, sagt Neuhauser.

Gerade diese Art, das Überleben zu sichern, macht Parasiten innerhalb der Mikrobiologie für Neuhauser dreifach spannend. Das motiviert sie und treibt ihre Neugier an, auch weil hier noch „so viel wirklich absolut Neues zu entdecken ist“. Die Mikrobiologin weiß, dass sie den richtigen Karriereweg eingeschlagen hat. Sie könne sich nicht vorstellen, einem anderen Beruf nachzugehen: „Ich gehöre zu den Biologen, die in ihrer Freizeit irgendwo im Wald herumspazieren, Pilze und Schwammerln sammeln, um sie anschließend zu bestimmen“, sagt sie. In naher Zukunft wird für die junge Mutter ihr Kind im Vordergrund stehen, aber auf gelegentliche Ausflüge in den Wald wird sie nicht verzichten.

ZUR PERSON

Sigrid Neuhauser wurde 1980 in Rum in Tirol geboren und studierte von 1999 bis 2005 Biologie an der Universität Innsbruck. 2007 schloss sie ihr Doktoratsstudium am Institut für Mikrobiologie ab und forschte dort erst als Postdoc und von 2008 bis 2011 als Hertha Firnberg Research Fellow. 2012 ging Neuhauser für ein Erwin Schrödinger Research Fellowship nach London. 2014 erhielt sie den Start-Preis des FWF und kehrte nach Innsbruck zurück.

Alle Beiträge unter:diepresse.com/jungeforschung

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.01.2015)

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