Heiße Blicke in vergangene Zeiten

 Kathrin Lisa Kapper
Kathrin Lisa Kapper (c) Kapper
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Die Geophysikerin Kathrin Lisa Kapper sucht in archäologischen Funden und in vulkanischen Gesteinen aus der Kreidezeit nach magnetischen Eisenoxiden.

Meine Freunde sagen, ich könnte ein Restaurant aufmachen, so gut schmeckt mein Essen“, sagt Kathrin Lisa Kapper, gebürtige Grazerin. Die Forscherin zog vor über einem Jahr nach Morelia in Mexiko, eine schöne Stadt aus der Kolonialzeit. In ihrem Garten baut sie Gemüse und Kräuter an und kocht mit Leidenschaft: „Ich vereine die europäische und mexikanische Küche – mit asiatischem Einfluss“, erzählt Kapper fröhlich.

In ihrer Doktorarbeit an der ETH Zürich interessierte sie sich auch für Kochstellen, jedoch aus vergangenen Zeiten. Und auch jetzt im Postdoktorat in der der UNAM (Nationaluniversität für höhere Studien – Universidad Nacional Autónoma de México) forscht Kapper an Feuerstellen und Öfen. Ihre Aufmerksamkeit gilt derzeit einer Reihe von Lehmöfen, die früher zur Eisengewinnung genutzt wurden. Der Forschungsbereich nennt sich: Archäomagnetismus.

„Der Archäomagnetismus ist ein Teilbereich der Geophysik, in dem wir versuchen das Magnetfeld der Erde zu rekonstruieren.“ Die Forscher greifen dazu auf archäologische Gegenstände und Bauwerke zurück, in denen Details über das Erdmagnetfeld gespeichert sind. Materialien, die mit Feuer gefertigt oder mit Temperaturen über 600 Grad behandelt wurden, dienen als Archiv des damaligen Magnetfeldes. Denn es gibt natürlich vorkommende magnetische Substanzen, Eisenoxide: Das stabilste davon ist Magnetit.

Archiv des Erdmagnetfeldes

„Diese Ferromagneten kommen in der Erde vor: Bei sehr hohen Temperaturen beginnen sie entlang der Erdmagnetfeldlinien zu schwingen. Kühlt das Material langsam ab, frieren die ferromagnetischen Komponenten unter einer charakteristischen Temperatur quasi ein“, sagt Kapper.

Bei dem Prozess orientieren sich die Eisenoxide entlang des jeweils herrschenden Erdmagnetfelds. „Wird das Material danach nicht noch einmal erhitzt, bleibt die Magnetisierung über tausende Jahre stabil.“

An der TU Graz hat Kapper ursprünglich Technische Physik studiert, abgeschlossen mit einer Masterarbeit am Wegener Zentrum für Klima und globalen Wandel. Seit ihrer Doktorarbeit in Zürich ist sie von der Rekonstruktion des früheren Erdmagnetfelds fasziniert. „Eine direkte Messung des Magnetfeldes ist erst seit dem 16. Jahrhundert möglich. Für jede Information aus der Zeit davor brauchen wir archäologische Funde, zum Beispiel Keramiken, Lehmböden, Asche von Feuerstellen oder Ziegel“, sagt sie.

Im Züricher Magnetismuslabor untersuchte Kapper Feuerstellen aus dem Holozän, die bis zu 9000 Jahre alt waren, und Eisenöfen aus Westafrika von vor rund 1200 Jahren. Im Gegensatz zu Keramiken und anderen tragbaren Gegenständen, an denen man heute nur noch die Intensität des damaligen Magnetfeldes erkennen kann, sieht man in Feuerstellen, Öfen und anderen unbewegten heißen Dingen die Orientierung des Magnetfeldes, also in welche Himmelsrichtung die magnetischen Komponenten in dem unbewegten erhitzen Objekt zeigen.

„Die Feuerstellen von vor bis zu 9000 Jahren lagen in den Bergen in Italien und der Schweiz. Dort kamen Menschen und ihre Tiere regelmäßig zusammen. Die Asche der Feuerstellen zeigt uns nun eine schöne Sequenz des Erdmagnetfelds in Mitteleuropa zu dieser Zeit“, erzählt Kapper. Man weiß, dass die Intensität und Orientierung des Erdmagnetfelds in den vergangenen 10.000 Jahren oft geschwankt haben, derzeit nimmt die Intensität seit 160 Jahren wieder ab. „Die bisherigen Modelle beruhen aber auf lückenhaften Daten. Unsere Forschung bringt immer mehr Information ans Licht, um Referenzkurven genauer berechnen zu können“, so Kapper. Anhand solcher Referenzkurven können Archäologen neue Funde dann vergleichen und genauer datieren.

Nord- und Südpol mehrmals vertauscht

Seit sie in Mexiko ist, schaut Kapper noch weiter zurück in der Entwicklung unseres Planeten und betreibt Paläomagnetismus. Anhand von vulkanischem Gestein rekonstruiert sie das Magnetfeld aus der Kreidezeit: vor 126 bis 90 Millionen Jahren.

Die Polarität der Erde hat sich mehrmals umgekehrt, der Nord- und Südpol tauschten ihre magnetische Ausrichtung. Aus dem Zeitraum gibt es noch wenige Daten, speziell aus Lateinamerika. „Die Proben zeigen, dass sich ein langer Zeitraum mit normaler Polarität mit Zeiträumen mit vielen Polaritätsänderungen abwechseln.“ Und was macht Kapper, wenn sie nicht forscht oder kocht? „In Morelia besuche ich jetzt einen Tanzkurs. Denn, wenn man bei Festen hier nicht mittanzen kann, steht man im Abseits.“

ZUR PERSON

Kathrin Lisa Kapper wurde 1982 in Graz geboren, studierte an der TU Graz Technische Physik. Die Dissertation schrieb sie an der ETH Zürich über Archäomagnetismus. Nun forscht sie an der mexikanischen Universität in Morelia an Paläomagnetismus und zeigt, dass das Magnetfeld der Erde vor Millionen von Jahren mehrmals seine Ausrichtung wechselte. Nach dem Mexikoaufenthalt möchte sie in Europa oder den USA weiterforschen.

Alle Beiträge unter:diepresse.com/jungeforschung

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.12.2015)

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