Antonio J. Roa-Valverde: Jeden Tag sinnvoll gestalten

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Der Computerwissenschaftler Antonio J. Roa-Valverde entwickelt Apps, die im Alltag helfen sollen: etwa für korrektes Recycling oder um Vokabellernen lustig zu gestalten.

Wie soll ich einen Weinkorken entsorgen? Restmüll oder Bioabfall? „In Österreich gehört Kork in den Restmüll. Doch es ist in jedem Land anders. Sogar innerhalb eines Landes sind die Regelungen der Städte unterschiedlich, was Recycling angeht“, sagt Antonio J. Roa-Valverde. Der Spanier entwickelte zu dem Thema eine App, die Menschen helfen soll, zu entscheiden, in welche Mülltonne ein Gebrauchsartikel geworfen wird. „Die App Recycl3r entstand in Zusammenarbeit mit meinem Freund Ivan Gonzalez, der Anwalt in Mallorca ist und sich mit dem Thema Recycling beschäftigt hat“, sagt er. Daher ist der Prototyp vorerst auf Palma de Mallorca beschränkt. Die App soll dann aber auch für andere europäische Städte funktionieren.

Der Verbraucher kann im Suchfeld eintippen, um welches Produkt es sich handelt, Recycl3r sucht heraus, ob es in den Plastik-, Aluminium- oder Restmüll gehört und zeigt automatisch an, wo die nächste passende Mülltonne zu finden ist.

Grüne App für European Youth Award

Roa-Valverde, der seit 2010 in Innsbruck lebt, hat diese Entwicklung in der Kategorie Go Green für den European Youth Award (EYA) eingereicht, dessen Festival Ende November in Graz stattfinden wird. Derzeit bewertet eine internationale Jury die 167 eingereichten Projekte und gibt am 26. September die Gewinner der acht Kategorien des European Youth Awards bekannt. Diese Auszeichnung soll junge Europäer motivieren, digitale Projekte mit Bedeutung für die Gesellschaft zu entwickeln. Der EYA wird jährlich vom International Center for New Media, einer Non-Profit-Organisation in Salzburg, ausgerichtet.

Für Roa-Valverde ist es nicht die erste Entwicklung, auf die er stolz ist. Während seiner Dissertation an der Uni Innsbruck und der Universität Alcalá in Madrid programmierte er die App Word bucket, mit der man das Vokabellernen in verschiedenen Sprachen individuell und lustig gestalten kann. „Die Idee kam von Freunden aus Irland, mit denen ich selbst früher Englisch gelernt habe. Sie wussten, dass ich Computerwissenschaftler bin und fragten, ob ich eine App für das Vokabellernen entwickeln kann“, erzählt Roa-Valverde. Dies traf sich perfekt, denn der theoretische Teil seiner Doktorarbeit über das Semantische Web und Datenmanagement im Internet war gerade fertig, es fehlte nur mehr die Fallstudie. Das klappte mit Word bucket sehr gut, die App kann man gratis auf das Handy oder Tablet herunterladen.

„Ein Satz hat mich seit meiner Anfangszeit geprägt. Ich weiß nicht, von wem er stammt: ,Du vergeudest deine Zeit, wenn du nicht versuchst, jemandes Leben besser zu machen‘“, sagt der Spanier. Seine Forschung hat immer einen angewandten Aspekt, die wissenschaftlichen Publikationen sind für ihn nicht entscheidend, sondern das, was im Alltag helfen kann. Deshalb hat er sich in Innsbruck auch mit anderen Online-Entwicklern zusammengetan und unterstützt über die Plattform www.6020peaks.com junge Menschen bei der Umsetzung ihrer Ideen in echte Produkte. Nicht jeder hat den technischen Hintergrund, um aus einer guten Idee eine gute App zu machen. Dabei will das 6020-Peaks-Team helfen.

Dass Roa-Valverde überhaupt bei den Computerwissenschaften gelandet ist, war in seiner Schulzeit nicht absehbar. „Ich wollte lange Zeit Biologe werden, habe mich für Vögel und Säugetiere interessiert und alle ihre lateinischen Namen auswendig gelernt“, erzählt er. Dann faszinierte ihn die Chemie und ihre Substanzen und Reaktionen. „Erst mit 16 bekam ich meinen ersten Computer, also viel später als heute Kinder Zugang zu Computer und Handy haben“, sagt er.

Von der Genil-Brücke zur Inn-Brücke

„Ich bin also nicht ein klassischer Nerd, der seit den 1980ern mit Elektronik und Computer experimentiert hat. Mit 18 habe ich einfach beschlossen, in Málaga Computerwissenschaften zu studieren“, sagt Roa-Valverde. Nach Innsbruck zog er, als in Spanien die Krise voll zuschlug, Jobs schwer zu finden waren und er sich im Ausland persönlich weiterentwickeln wollte. „Ich kannte Innsbruck von der Zusammenarbeit mit der Uni Málaga und fühlte mich gleich wohl hier.“ Sein Heimatort heißt sehr ähnlich: Puente Genil bei Córdoba bedeutet Genil-Brücke, so wie nun in Tirol die Inn-Brücke.

„Mir geht die Mentalität der Südländer hier ab. Alle paar Monate brauche ich eine Woche in meiner Heimat, um meine Batterien aufzuladen. Dafür genieße ich hier die Möglichkeiten für Sport, gehe viel wandern und Mountainbiken – und im Winter sogar mit Schneeschuhen auf die Berge.“

Zur Person

Antonio J. Roa-Valverde wurde 1984 in Puente Genil in Spanien geboren. Er studierte Computerwissenschaft an der Universität in Málaga und kam über Kooperationen mit der Universität Innsbruck in Kontakt. Sein PhD machte er bei Dieter Fensel an der Uni Innsbruck und an der Universität Alcalá in Madrid, wobei er die Vokabel-App Word bucket entwickelte. Derzeit arbeitet Roa-Valverde als Software-Ingenieur bei Daten Verarbeitung Tirol.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.09.2016)

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