Aus Hitze und Kälte wird Strom

„An das andere Essen und Wetter habe ich mich schon gewöhnt“, sagt die Spanierin Ibáñez, die seit zwei Jahren in der Schweiz, bald in Österreich forscht.
„An das andere Essen und Wetter habe ich mich schon gewöhnt“, sagt die Spanierin Ibáñez, die seit zwei Jahren in der Schweiz, bald in Österreich forscht.(c) Florens Kosicek
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Die Nanotechnologin Maria Ibáñez wird in Klosterneuburg die erste Chemieforschungsgruppe leiten. Sie gestaltet winzige Partikel, die Wärme in Elektrizität umwandeln können.

Die Chemie gilt als Bindeglied zwischen den Biowissenschaften und der Physik. Daher verlautbarte das Institute of Science and Technology (IST) Austria im heurigen Sommer recht stolz, dass demnächst eine eigene Chemieforschungsgruppe den Campus in Klosterneuburg bereichern wird und damit die bisher dort ansässigen Forschungsfelder verbinden kann. Die Leiterin der ersten Chemiegruppe am IST Austria ist die Spanierin Maria Ibáñez, die derzeit noch an der ETH Zürich forscht, in der Forschungsgruppe Funktionelle Anorganische Materialien. „Meine Arbeitsgruppe in Klosterneuburg wird im August 2018 starten. Aber mein Partner und ich werden im Juli nach Österreich ziehen“, erzählt die junge Forscherin der „Presse“.

Sie selbst besuchte bereits in der Schweiz Deutschkurse. „Aber es ist wirklich sehr schwer“, gesteht sie. Für ihren Partner wird es keine Sprachbarriere geben: Der Liechtensteiner ist auch in der Forschung tätig und nun auf Jobsuche im Umkreis von Wien. Ibáñez arbeitet seit ihrem Doktorat an der Universität von Barcelona im Gebiet der Nanostrukturen und Nanokristalle. „Damals ging es noch um Solarzellen. Aber mich faszinierte sofort, welche Möglichkeiten der Mensch hat, Materialien zu gestalten. Wir können die Funktion durch die Auswahl von Form und Größe der Nanopartikel beeinflussen“, sagt Ibáñez.

Arbeit mit den besten Gruppen der Welt

Während ihrer Forschungen in Spanien reiste sie regelmäßig an ausländische Universitäten, um neue Techniken zu lernen und mit den weltbesten Gruppen zusammenzuarbeiten: Die Cornell University im Bundesstaat New York, die University of Chicago und die Northwestern University in Illinois stehen ebenso auf der Liste ihrer Forschungsaufenthalte wie das renommierte Caltech Institute in Pasadena bei Los Angeles, das nicht erst seit der Serie „The Big Bang Theory“ weltberühmt ist.

„Im Prinzip geht es in meiner Arbeit stets darum, aus sehr, sehr kleinen Materialien sehr große zu entwickeln, die bestimmte Eigenschaften haben“, erklärt Ibáñez. Neben der Anwendung in Solarzellen, die Licht in Elektrizität umwandeln, interessiert sie vor allem die Thermoelektrik, also Materialien, die Temperaturunterschiede in Elektrizität umwandeln. „Dieser Forschungsbereich ist spannend: Eigentlich ist der thermoelektrische Effekt seit dem 19. Jahrhundert bekannt. In den 1940er-Jahren boomte die Forschung sehr, doch dann ebbte das Interesse ab“, erzählt Ibáñez. Einer der wichtigsten Anwendungsbereiche von thermoelektrischen Generatoren ist die Weltraumforschung. So gewinnen etwa die in den 1970ern gestarteten Voyager-Sonden und der 2011 gestartete Marsroboter Curiosity ihre Energie durch diesen Effekt.

Für die Generierung von Strom brauchen solche Geräte stets einen bestehenden Temperaturunterschied. „Wir sind eigentlich überall umgeben von Temperaturunterschieden: im Körper, in unserem Haus oder im Auto“, sagt Ibáñez. Das Problem ist aber, dass bisherige Technologien nicht effizient genug sind, um solche Unterschiede der Temperatur verlässlich in Strom umzusetzen. „Unsere Aufgabe im Labor ist, neue Materialien zu finden, die solche energetischen Umwandlungen mit hoher Effizienz schaffen“, sagt die Spanierin. Eine Möglichkeit, um die Effizienz solcher Materialien zu erhöhen, ist die Verwendung von Nanopartikeln.

Ibáñez weiß als Spezialistin der Nanotechnologie auch um die Gefahren, die etwa beim Einatmen der feinen Nanopartikel entstehen können. „Im Labor tragen wir alle die Schutzkleidung, Sicherheitsbrillen und – wenn nötig – Atemschutz. Doch bei uns besteht weniger Gefahr, da die Nanopartikel in flüssiger Lösung sind und keine Partikel in die Luft gelangen“, erklärt Ibáñez.

„Schon an das andere Essen gewöhnt“

Auf die Frage, was die Spanierin seit über zwei Jahren in der Schweiz vermisst, antwortet sie: „Meine Familie. Die sehe ich jetzt nur mehr zwei-, dreimal pro Jahr. An das andere Essen und das andere Wetter habe ich mich schon gewöhnt.“ Worauf sie sich freut, wenn sie an Österreich denkt? „Ich kann es kaum erwarten, dieses neue Land zu entdecken: die Menschen, das Essen, die Landschaft.“

ZUR PERSON

Maria Ibáñez wurde 1983 in La Sénia, Spanien, geboren und studierte Physik an der Universität von Barcelona. Nach zahlreichen Forschungsaufenthalten in den USA ging sie als Postdoc an die ETH Zürich, um die Oberflächenchemie von Nanokristallen zu erforschen. In Klosterneuburg wird sie am IST Austria ab August 2018 funktionelle Nanomaterialien entwickeln, die unter anderem Wärme in Elektrizität umwandeln können.

Alle Beiträge unter diepresse.com/jungeforschung

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.10.2017)

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