Begriffe der Wissenschaft

Na Mahlzeit! Die FAO propagiert Insekten als Nahrung für die wachsende Menschheit. In einem EU-Projekt wird indes die Tauglichkeit von Fliegenlarven als Tierfutter erforscht.

Arnold van Huis machte einen Versuch: Er führte an der Universität Wageningen eine Blindverkostung von Fleischbällchen durch. Neun von zehn Teilnehmern bevorzugten dabei eindeutig den Geschmack des Typs B gegenüber Typ A, der zu 100 Prozent aus Rindfleisch hergestellt war. Die Laberl des Typs B, die den Studenten besser schmeckten, bestanden dagegen aus einer Mischung von 50 Prozent Fleisch und 50 Prozent Mehlwürmern. Auch für einen Chemiker wäre die Wahl klar: Die Analyse der Inhaltsstoffe – viel hochwertiges Protein, wenig Fett, hoher Gehalt an Vitaminen und Mineralstoffen – spricht eindeutig für Produkte aus Insekten.

Also Gründe genug für die FAO, die Lebensmittel- und Agrarorganisation der UNO, sich das Potenzial von Insekten für die menschliche Ernährung einmal systematisch anzusehen. Unter der Leitung van Huis' ist ein 200 Seiten starker Bericht entstanden, laut dem es mehr als 1900 essbare Insektenarten gibt, die bei rund zwei Mrd. Menschen regelmäßig Bestandteile des Speiseplans sind (www.fao.org/docrep/018/i3253e/i3253e.pdf). Penibel wird auch vorgerechnet, dass die Produktion von einem Kilogramm Insekten viel weniger Rohstoffe verbraucht (nämlich nur 1,5 Kilo anstatt acht Kilo bei Fleisch) und dabei überdies um zehn- bis hundertmal weniger CO2 ausgestoßen wird.

Aber muss ja nicht gleich die menschliche Ernährung sein: In dem zu Jahresbeginn gestarteten EU-Projekt „PROteINSECT“ – Budget: 3,8 Mio. Euro – untersuchen zwölf Institutionen aus sechs Staaten die Eignung von Fliegenlarven als Tierfutter. In dem Konsortium sind nicht nur Experten für Insekten, Lebensmittelsicherheit, Tierernährung oder Lebenszyklusanalysen aus Europa beteiligt (inklusive der Wiener Technologiegesellschaft Eutema), sondern auch aus Ghana, Mali und China. Dort gibt es traditionelles Know-how über essbare Insekten.

Die Vorteile von Insekten als Futter liegen auf der Hand: Erstens könnte man den steigenden Fleischverbrauch der Welt ohne Flächenkonkurrenz zur Getreideproduktion befriedigen. Zweitens könnten auf diese Weise tierische Abfälle sinnvoll verwertet werden (die derzeit häufig als Sondermüll teuer entsorgt werden müssen). Und drittens könnte sich Europa die massenhaften Importe von Soja aus Südamerika ersparen – was dort wiederum den Urwald schonen würde.

Ob am Ende die Vernunft siegt und z.B. ein Festtagsbraten, der mithilfe von ökologisch einwandfrei produzierten Larven hergestellt wurde, schon bald auf unseren Tellern landen wird – wer weiß. Schauen wir einmal, wie stark der kulturelle „Igitt“-Faktor ist.

martin.kugler@diepresse.com 

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.06.2013)

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