Die Welt im Strandkorb

Die Rätsel der Gotteshäuser zu Stift Zwettl und Wien: Kultur- und Kirchengeschichte(n) zum Nachlesen, Betrachten und Begreifen.

Wissenschaftliche Bücher für MussestundenDie hohe Stiftskirche zu Zwettl zählt zweifelsohne zu den eindrucksvollsten Baudenkmälern Österreichs: Angeblich an der Stelle, wo im winterlichen Nordwald eine Eiche grünte, entstand ab 1138 ein vielschichtiges Neben-, Durch- und Übereinander von spätromanischen, hochgotischen oder barocken Gebäuden. An dieser äußeren Hülle des Zisterzienserklosters nagt, wie an allem Materiellen, der Zahn der Zeit, zum heurigen 875-jährigen Jubiläum wurde die Kirche in den vergangenen Jahren einer kompletten Restaurierung unterzogen.

Das kürzlich erschienene, prachtvoll illustrierte Begleitbuch zu diesem Megaprojekt ermöglicht einen Einblick in die Probleme beim Umgang mit alter Bausubstanz. „Denkmäler sind häufig Flickenteppiche“, schreibt Petra Weiss, die zuständige Sachbearbeiterin des Bundesdenkmalamtes. Etwa: Welche Farbfassung der Kirchenpfeiler soll man wiederherstellen? Die graue Farbe aus dem Spätmittelalter? Einen azuritblauen Anstrich aus der Barockzeit? Oder die bräunlich-graue Version aus dem 19. Jahrhundert? Die Entscheidung ist auf Letzteres gefallen – nach einer sorgfältigen Abwägung aller Argumente und der probeweisen Barock-Färbelung einer ganzen Achse.

Ohne genaue Kenntnis der Baugeschichte sind solche Fragen jedenfalls nicht seriös zu beantworten. Wie man dabei vorgeht und welche Probleme sich dabei ergeben können, wird in einem ebenfalls neuen Buch über den Wiener Stephansdom deutlich. In dem voluminösen Werk werden – endlich – die Ergebnisse der Grabungen aus 2000/01 veröffentlicht, als man eine moderne Heizung in die Kirche einbaute. Eine reiche Fundgrube an unbekannten historischen Details – von Skeletten über uralte Fresken bis hin zu falschen Münzen.


Zisterzienserstift Zwettl: Die Restaurierungsgeschichte. 208 Seiten, 24,90 Euro (Residenz Verlag)
Nikolaus Hofer (Hg.): Archäologie und Bauforschung im Wiener Stephansdom. 416 Seiten, 79,90Euro (Wiener Dom-Verlag)

martin.kugler@diepresse.com diepresse.com/wortderwoche

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.07.2013)

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