Wort der Woche

Im Wahlkampf spielt die Forschungspolitik –wieder einmal – kaum ein Rolle. Ein Blick über den Tellerrand hinaus könnte freilich befruchtend wirken.

Begriffe der WissenschaftDas Phänomen Finnland ist auch ein Phänomen Nokia: Das Land war nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion in eine Krise gerutscht, aus der es sich dank Reformen in der Bildung und Forschung selbst herauszog. Der Mischkonzern Nokia nutzte die Gunst der Stunde und etablierte sich als Technologie- und Weltmarktführer von Handys. Ganz „oben“ ist die Luft freilich dünn, aus dem Vorsprung wurde ein Rückstand – diese Woche hat der Konzern seine Handysparte an Microsoft verkauft. Was das für die finnische Forschungsszene bedeutet, ist noch nicht absehbar: Nokia stand für mehr als ein Drittel aller privaten Forschungsausgaben. Nun wird sich das Land wohl erneut umorientieren müssen, um weiterhin – zumindest halbwegs – mit den Spitzenländern mithalten zu können.

Veränderungen sind auch in Österreich notwendig – wir rutschen seit einigen Jahren in Rankings sukzessive zurück. Vorbilder, wie man wieder in einen Aufholprozess umschwenken kann, gibt es einige – z.B. die Schweiz, der sich diese Woche in Wien der „Club Research“ widmet: Zu Gast sind u.a. der Schweiz-Kenner (und IHS-Chef) Christian Keuschnigg oder der globale Forschungsleiter von Nestlé, Johannes Baensch (Mi., 11.9., 18 Uhr, Reitersaal der Österr. Kontrollbank, 1., Strauchgasse 3).

Jedes Land hat freilich seine Besonderheiten. Deutschland z.B. hat während der Krise bewusst die Grundlagenforschung gestärkt – worauf von Österreich aus immer wieder neidisch geblickt wurde. Einen ganz anderen Weg verfolgt Frankreich: Dort spielt der Staat ungebrochen eine dominierende Rolle, wie bei der heurigen Studienreise der Austrian Cooperative Research (ACR) – einem Dach über aktuell 18 Institute – deutlich wurde. Für wirtschaftsnahe Institute (Réseaux CTI) hat die Grande Nation ein „interessantes“ Finanzierungsmodell: Alle Unternehmen einer Branche werden gesetzlich verpflichtet, eine Forschungseinrichtung für diesen Bereich mitzufinanzieren. Es entstand ein kompliziertes und unübersichtliches System mit 40 Instituten – mit sehr unterschiedlicher Performance. Ein Vorbild für Österreich ist das wohl keines; allerdings ist eine gewisse Grundfinanzierung von Instituten (für Aufgaben, die der Markt nicht abdecken kann) überlegenswert.

Es gibt aber auch in Frankreich Nachahmenswertes: etwa Exzellenzcluster in definierten Sparten. Man kann unterschiedlicher Meinung sein, wie sinnvoll es ist, dass der Staat Forschungsthemen vorgibt – aber man sollte zumindest über solche forschungspolitischen Fragen diskutieren. Etwas, was im aktuellen Wahlkampf in Österreich – es sei an dieser Stelle geklagt – nicht passiert.

martin.kugler@diepresse.com diepresse.com/wortderwoche

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.09.2013)

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