Wort der Woche: Große Koalitionen

Was man aus der Historie der österreichischen Forschungspolitik lernen kann: Große Koalitionen haben selten viel bewegt.

Es war einmal – ein Land, das nach einem zerstörerischen Krieg wieder aus der Asche erstand. Forschung war damals de facto ein Fremdwort: Fast die ganze Wissenschaftselite hatte das Land verlassen (müssen), es gab dringendere Probleme – etwa die Mägen der Bürger zu füllen. Ein Symptom: Die Forschungsquote lag 1949 bei weniger als 0,1 Prozent des BIPs. Erste Pläne für eine Forschungsförderstelle (Forschungsrat) verliefen im Sand. Erst in den frühen 1960er-Jahren tat sich etwas, jede Partei wurde – für sich – aktiv: Die ÖVP gründete den Forschungsrat, die SPÖ die Ludwig Boltzmann Gesellschaft (LBG). Immerhin wurde dadurch eine größere Diskussion gestartet, die 1967 im Forschungsförderungsgesetz mündete: Damals wurden der Forschungsförderungsfonds FFF (für die Wirtschaft) und der Wissenschaftsfonds FWF (für die Unis) gegründet, 1970 ein eigenes Wissenschaftsministerium. Dann blieb längere Zeit alles so, wie es war: Jede „Reichshälfte“ steigerte seine Aktivitäten, das System insgesamt steckte aber in der Konsensfalle.

Druck von außen – Globalisierung und EU-Beitritt – brachte dann Bewegung in die Sache: Sukzessive betraten viele neue Akteure die Bühne, etwa der Innovations- und Technologiefonds (ITF) oder K-Plus-Zentren. Schließlich wurde das System derart unübersichtlich, dass eine große Reform hermusste. Ab 2000 sorgte der eben gegründete Rat für Forschung und Technologieentwicklung für Ideen, die erstens zu einem imposanten Aufholprozess Österreichs – die Forschungsquote liegt nun bei 2,8Prozent – und zweitens zu einer grundlegenden Strukturreform führten, insbesondere zur Gründung der Forschungsförderungsgesellschaft (FFG) und der Austria Wirtschaftsservice (AWS), in denen viele Aktivitäten fusioniert wurden.

Seit der damaligen politischen Debatte ist ein Jahrzehnt vergangen: Die Grundstruktur ist seither (fast) unverändert, die stürmische Aufholjagd Österreichs wurde 2008 durch das Einfrieren der (realen) Budgets jäh unterbrochen. Nun fordert die Wissenschaftscommunity weitere Reformschritte – andernfalls könne Österreich nicht mit der internationalen Entwicklung Schritt halten. Viele konkrete Vorschläge zu Unis, Organisation, Budgetpfaden etc. liegen auf dem Tisch, jetzt sind die Regierungsverhandler gefordert.

Aus der Historie hat man freilich eines gelernt: Deutliche Fortschritte gab es nur in nicht großkoalitionären Regierungen: 1967 regiert die ÖVP allein, in den 1970ern die SPÖ, 2004 war ein VP-FP-Team am Ruder. Wenn man diese Erfahrung fortschreibt, dann stimmt das für den Ausgang der jetzigen Koalitionsgespräche nicht gerade optimistisch. Wir lassen uns aber gern überraschen!

martin.kugler@diepresse.com diepresse.com/wortderwoche

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.11.2013)

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