Kulinarische Globalisierung

Kulinarische Globalisierung neu betrachtet: Der Siegeszug von Pizza & Pasta ging nicht von Italien aus, sondern von den USA.

So kann man sich täuschen: Der Siegeszug von Pizza & Pasta in die ganze Welt ging nicht von Italien – der Heimat dieser Speisen, die heute auch als „Pizza-Pasta-Red-Sauce-Stereotyp“ bezeichnet werden – aus. Wie die Wiener Historikerin Martina Kaller nachweisen kann, haben die beiden „italienischen“ Speisen von den USA ausgehend die internationale Küche erobert. „Pizza und Pasta sind keine in Übersee entstandene Fusion von italienischen kulinarischen Traditionen, sondern eine Erfindung, die von US-amerikanischen Unternehmen wie ConAgra in die globalen Lebensmittelmärkte eingeführt wurde“, heißt es in ihrem Beitrag im Sammelbad „Kulinarische Heimat und Fremde – Migration und Ernährung im 19. und 20. Jahrhundert“ (Hg. Lars Amenda, Ernst Langthaler, 215 Seiten, 29,90 Euro, Studienverlag).

Diese Geschichte hängt übrigens eng mit dem Großereignis zusammen, dessen Ausbruch wir heuer gedenken: dem Ersten Weltkrieg. Nachdem die USA 1917 in den Krieg eingetreten waren, wurden auch riesige Mengen an Nahrungsmitteln für die alliierten Truppen benötigt. Patriotische Amerikaner schränkten daher zu Hause ihren Konsum ein – unter anderem, indem sie Weizen nicht mehr als Zubrot, sondern als Hauptgericht verspeisten. Etwa in Form von Makkaroni mit geriebenem Käse. Politik und Industrie entdeckten damals, dass sich Pizza & Pasta ausgezeichnet als kostengünstige Massennahrung eignen. Damals tauchten auch die ersten italienisch angehauchten Rezepte in amerikanischen Kochbüchern auf – davor war italienische Kost fast ausschließlich in den italienischen Stadtvierteln („Little Italy“) bekannt.

In den 1930er-Jahren wurde in den USA die maschinelle Pastaproduktion erfunden, im Zweiten Weltkrieg bewährten sich Pizza & Pasta erneut für die Massenernährung. Und dann trat in der aufkommenden Popkultur die Marketingmaschinerie auf den Plan: In den 1950er-Jahren wurde ein Italienbild mit purer Lebensfreude beim Essen und Singen geprägt – etwa in TV-Kochshows oder als Dean Martin sang: „When the moon hits your eye like a big pizza pie – that's amore“.

Billig, gut verpack- und transportierbar, dennoch wohlschmeckend und nun auch in: Mit diesen Attributen versehen verbreiteten US-Konzerne Pizza & Pasta schließlich in die ganze Welt. Und mit dieser Geschichte im Hinterkopf ist die Ansicht gestandener US-Bürger, dass insbesondere die Pizza eine amerikanische Erfindung sei, eigentlich gar nicht so falsch. . .

Der Autor leitete das Forschungsressort der „Presse“ und ist Chefredakteur des „Universum Magazins“.

martin.kugler@diepresse.com

diepresse.com/wortderwoche

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.04.2014)

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