Frische Waldluft

Dass das Atmen frischer Waldluft bei einem sommerlichen Spaziergang wohltuend ist, ist unbestritten. Warum das so ist, ist hingegen weniger klar.

Ein sommerlicher Spaziergang durch den Wald tut gut, das steht außer Frage. Dass dafür – wie früher von Tourismuswerbern behauptet – „ozonreiche“ Luft verantwortlich ist, ist mit Sicherheit falsch. Ozon ist im Gegenteil ein ziemlich aggressives Reizgas. Dennoch machen immer mehr Menschen bestimmte Chemikalien für die wohltuende und heilsame Wirkung von Waldluft verantwortlich. Nämlich sogenannte Phytonzide – flüchtige organische Verbindungen (VOC), die von Bäumen zwecks Kommunikation mit anderen Pflanzen sowie zur Abwehr von Bakterien oder Schadinsekten abgegeben werden; wer mehr darüber wissen will, dem sei das Buch „Das geheime Leben der Bäume“ (Ludwig Verlag, 224 Seiten, 20,60 Euro) empfohlen, in dem der deutsche Forstfachmann Peter Wohlleben allgemeinverständlich (wenngleich teils spekulativ) den Stand des Wissens gibt.

Allerdings sollte die Argumentation, warum Phytonzide angeblich für gesunde Waldluft sorgen, hellhörig machen: Behauptet wird nämlich, dass diese Substanzen keimtötend wirken und dadurch die Waldluft reinigen. Genau so wurde vor 100 Jahren auch bei Ozon argumentiert. Über die Wirkung der von Bäumen abgegebenen VOC auf die Menschen weiß man jedenfalls nur wenig. Vor zehn Jahren haben Forscher von Joanneum Research getestet, wie die Duftstoffe von Zirbenholz wirken – sie fördern Schlaf und beruhigen (durch Verlangsamung des Herzrhythmus). Vor drei Jahren nun wurde das Forschungsprojekt VocOnCell gestartet, in dem Holzforscher gemeinsam mit der Medizin-Uni Innsbruck in Expositionskammern die Wirkung von VOC, die aus Holz ausdampfen, auf Zellen studieren.

Bis aussagekräftige Forschungsergebnisse vorliegen, sollte man sich auf keine Spekulationen chemischer Natur einlassen, sondern sich besser an gesichertes Wissen über die positive Wirkung von Natur auf den Menschen halten. In der kürzlich veröffentlichten Studie „Naturerleben und Gesundheit“ (Download unter www.wasser-wege.at) arbeiteten Experten drei Wirkmechanismen heraus: Auf körperlicher Ebene fördert eine naturnahe Umgebung die Bereitschaft zu Bewegung; auf psychischer Ebene spielt Naturerleben eine wesentliche Rolle bei Stressabbau; und das soziale Wohlbefinden wird gefördert, weil die Natur als Begegnungsraum mit anderen Menschen fungiert.

Drei gute Erklärungen dafür, warum ein sommerlicher Waldspaziergang so guttut!


Der Autor leitete das Forschungsressort der „Presse“ und ist Chefredakteur des „Universum Magazins“.

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diepresse.com/wortderwoche

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.07.2015)

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