EU reformiert Abgasmessung

In der EU wird die Messung von Autoabgasen reformiert. Gut so! Denn die bisherigen Grenzwerte hatten – auch abseits von Betrügereien – kaum etwas mit der Realität zu tun.

Lang wurde gestritten, jetzt ist es fix: Die EU führt ein neues Verfahren zur Abgasmessung bei Autos ein. Nach geschlagener Abstimmungsschlacht im Europäischen Parlament gab Brüssel der Öffentlichkeit nun auch einen tiefen Einblick in die Entscheidungsgrundlagen: Die Europäische Umweltagentur EEA veröffentlichte kürzlich den Bericht „Explaining road transport emissions“ (www.eea.europa.eu) – und was man in dieser 60-seitigen Broschüre zu lesen bekommt, ist, vorsichtig gesagt, erstaunlich.

Man wusste zwar schon bisher, dass die Emissionen in der Realität höher als bei Messungen auf dem Prüfstand unter Laborbedingungen sind – doch das Ausmaß dieser Differenz ist viel größer als gedacht: In dem Papier wird gezeigt, dass der CO2-Ausstoß und der Spritverbrauch in der realen Welt um zwei Drittel über den Messungen auf dem Prüfstand liegen. Noch krasser ist das Missverhältnis bei Stickoxiden: Der NOx-Ausstoß von Dieselfahrzeugen liegt in der Praxis sechs bis sieben Mal (!) höher als per Gesetz erlaubt (und auf dem Prüfstand gemessen).

Beides liegt nicht etwa an Tricksereien der Autohersteller (diese verschlimmern die Sache „nur“), sondern an Grundsätzlichem: Zum einen kann man physikalische und chemische Gesetze nicht so einfach ausschalten. Wenn man den CO2-Ausstoß und den Spritverbrauch minimieren will, muss der Treibstoff effizienter verbrannt werden; das erfordert eine Erhöhung des Drucks und der Temperatur im Zylinder – und das treibt die NOx-Emissionen in die Höhe. Zum anderen kann man im Labor viele Einflussgrößen aus der realen Welt kaum nachstellen – diese reichen vom Reifendruck, der Beladung und der Straßenbeschaffenheit bis hin zu Klimaanlagen, Dachträgern und dem Fahrstil.

Um die Realität besser abzubilden, wurde in der EU nun also die einzig richtige Entscheidung getroffen: Künftig sollen die Emissionen bei echten Fahrten im Freiland gemessen werden („real driving emissions“, RDE). Gleichzeitig werden die Grenzwerte auf bis zum Doppelten angehoben – was umgehend zu heftiger Kritik geführt hat.

Im Licht der EEA-Zahlen muss diese Kritik aber relativiert werden: Verglichen mit den realen Abgaswerten bedeuten die neuen Grenzwerte mit der neuen Messmethode eine Senkung der NOx-Emissionen zumindest um den Faktor drei. Es wird für die Autohersteller also nicht einfacher, diese Werte zu erreichen, sondern schwieriger! Steht zu hoffen, dass kein weiterer Kfz-Produzent zu schummeln beginnt, um das zu schaffen . . .

Der Autor leitete das Forschungsressort der „Presse“ und ist Chefredakteur des „Universum Magazins“.

meinung@diepresse.com

diepresse.com/wortderwoche

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.02.2016)

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