Die Suche nach Atlantis

Die Suche nach der sagenumwobenen Insel Atlantis hat Forscher jahrhundertelang bewegt – und bewegt viele Geister trotz aller Widerlegungen bis heute.

Die Geschichte wurde von Platon in die Welt gesetzt. Der Philosoph beschrieb in seinen Dialogen Timaios und Kritias Atlantis als reiche Insel mit hoch entwickelter Kultur, die durch eine Naturkatastrophe mit Erdbeben und Überschwemmungen zerstört wurde. „Es kam ein Tag und eine Nacht voll entsetzlicher Schrecken, wo die ganze Masse eurer Krieger von der Erde verschlungen ward; ebenso tauchte die Insel Atlantis in die Tiefe des Meeres hinab und verschwand“, heißt es im Timaios. Manche antike Denker nahmen die frühere Existenz von Atlantis ernst – etwa der Geograf Strabo –, andere Autoren wie Plinius bestritten sie. Dass das Thema die Menschen bewegt hat, beweist die Tatsache, dass Parodien darüber entstanden sind.

Praktisch alle Historiker und Altphilologen sind sich heute einig, dass Platon Atlantis nur als gedachten Schauplatz für einen „Idealstaat“ benötigt hat, um seine politischen Theorien zu untermauern. Dass sich ein uralter Mythos einer versunkenen Welt dahinter verbirgt darf bezweifelt werden: Einige Jahre, bevor Platon die Texte schrieb, war Helike am nördlichen Peloponnes durch Erdbeben und Flutwellen zerstört worden. Und 40 Jahre vorher geschah Ähnliches in der Stadt Orobiai in Euböa.

Trotzdem: Als Platons Texte in der Renaissance wiederentdeckt wurden, setzte eine emsige Suche nach Atlantis ein, möglicherweise ausgelöst durch seine Bemerkung, dass das „dortige Meer auch heute noch unfahrbar und unerforschbar“ sei – infolge der „ungeheuren Schlammmassen, welche die sinkende Insel anhäuft“. Diese Reste wurden gesucht, im Lauf der Jahrhunderte entwickelten selbst die größten Geister ihrer Zeit unzählige Theorien zur Lokalisierung von Atlantis. Etwa Kreta, Troja, Santorin, Schweden, die kanarischen Inseln, Helgoland oder eine ehemalige Insel zwischen Sizilien und Tunesien. Gemutmaßt wurde weiters, dass Atlantis die Flutung des Schwarzmeer-Beckens widerspiegelt. All das hatte auch politische Konsequenzen: Die Spanier wollten die Eroberung Lateinamerikas durch die Suche nach Atlantis rechtfertigen, und großdeutsche Forscher waren überzeugt, dass Atlantis ident mit dem germanischen Mythos von Thule sei.

Keine der Theorien hat – zumindest bisher – einer wissenschaftlichen Überprüfung standgehalten. Dennoch verschwinden die Atlantis-Mythen nicht, sie leben v.a. in pseudowissenschaftlichen Sachbüchern weiter. So hat erst kürzlich Heinrich Kruparz Atlantis auf einem versunkenen Basaltplateau bei den Azoren lokalisiert. Blöderweise ist das nicht möglich, wie der ehemalige Direktor der Geologischen Bundesanstalt und Vorsitzende des Geowissenschaftlichen Zentrums der ÖAW, Hans Peter Schönlaub, beweist: Die Zusammensetzung der Gesteine sei mit dieser Erklärung unvereinbar.

martin.kugler@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.04.2010)

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