Winter der Extreme

Ein Winter der Extreme ist endlich zu Ende. Die große Variabilität der Temperatur war aber definitiv keine Folge der globalen Erwärmung.

Man kann es sich angesichts des hereinbrechenden Frühlings kaum vorstellen, dass wir noch vor einem Monat unglaublich gefroren haben. Und nicht nur wir, sondern die ganze Natur. Allerdings hat diese wesentlich bessere Schutzmechanismen. Gämsen, Hirsche & Co. senken, wie berichtet, die Körpertemperatur der Extremitäten und reduzieren durch einen „versteckten“ Winterschlaf die Wärmeverluste drastisch. Aber auch Bäume haben ausgefuchste Methoden entwickelt, um die Kälte zu überstehen. Deren Hauptproblem ist, dass sich Wasser beim Gefrieren ausdehnt und Kristalle bildet, wodurch Zellen beschädigt werden können.

Bäume umgehen dieses Problem, indem sie bei Frost Wasser von außen abziehen und in das Innere verlagern – und zwar sowohl in den Stämmen als auch in Blättern und Wurzeln. Die Abnahme des Stammumfanges lässt sich leicht messen – und diese kann beträchtlich sein: Experten des Bundesforschungszentrums für Wald haben heuer an sieben Versuchsflächen ermittelt, dass der Stammdurchmesser um bis zu neun Millimeter schrumpft – das entspricht einer Verringerung um bis zu 0,8 Prozent. Was überraschend war: Die Unterschiede zwischen verschiedenen Bäumen und Standorten sind sehr groß. Als relevante Einflussfaktoren haben sich neben der Temperatur und der Baumart auch das Alter, die Seehöhe und der Witterungsverlauf im Vorfeld einer Frostperiode herausgestellt.

Was allen Lebewesen heuer die Anpassung erschwert hat, war die sehr große Variabilität des Wetters. Im Durchschnitt kann der heurige Winter zwar durchaus als „normal“ bezeichnet werden, doch die Extreme waren gewaltig: Einem ungewöhnlich warmen Dezember und Jänner folgte ein sehr kalter Februar – der kälteste seit 26 Jahren – und wieder ein warmer März. Viele Menschen (und ebenso viele selbst ernannte Klimaexperten) sehen in den Extremen ein untrügliches Anzeichen des Klimawandels. Was laut einer kürzlich veröffentlichten Studie der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG) aber falsch ist: Zwar ist die Durchschnittstemperatur in den letzten 140 Jahren um 1,8 Grad gestiegen und sind Hitzewellen häufiger als Kältewellen geworden, doch die Variabilität der Temperatur hat nicht zugenommen.

Oder anders ausgedrückt: Es gibt – zumindest in Österreich – keinen Zusammenhang zwischen der Klimaerwärmung und den Temperaturschwankungen. Ein interessantes Detail: Die Wechselhaftigkeit der Temperatur ist in den letzten Jahrzehnten zwar ganz leicht gestiegen, aber im 19. Jahrhundert war sie schon einmal auf einem gleich hohen Niveau. Und das war lange vor dem Beginn der aktuellen globalen Erwärmung.

martin.kugler@diepresse.com 

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.03.2012)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.