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Jetzt sind alle Illusionen ad acta zu legen. Nach zwei Jahren Diskussion, einem kooperativenVerfahren und einem Architekturwettbewerb ist klar: Ein Projekt, das die gewünschte Rendite bringt und stadtplanerisch und architektonisch überzeugt, hat sich nicht gefunden. Zum Umbau von Hotel Intercontinental und Wiener Eislaufverein.

Wem gehört die Stadt? Diese Frage ist mit einem Blick ins Grundbuch nicht zu beantworten. Dort finden sich zwar alle öffentlichen undprivaten Eigentümer mit ihren Rechten und Pflichten. Die Stadt als Ganzes ist aber etwas anderes als die Summe dieser Teile. Sie ist ein komplexes Wechselspiel von Interessen und Kräften, Sachzwängen und Fantasien.

Der Spekulant gehört in diesem Spiel zu den typischen Genrefiguren. Wenn er ein Grundstück kauft, in dem „Fantasie“ steckt, dann bedeutet das für die Stadtentwicklung in der Regel nichts Gutes. Der Spekulant liebt das Risiko, weshalb er sich am liebsten in unklare Verhältnisse einkauft, die er zu seinen Gunsten verändern möchte. Am Ende winkt der Goldschatz in Form einer Ausnutzung des Grundstücks, die weit über jener liegt, die dem ursprünglichen Kaufpreis entspricht.

Stadtplanung bedeutet in diesem Fall, aus den unklaren Verhältnissen klare zu schaffen. Im konkreten Fall geht es um zwei besondere Orte am Rande der Wiener Altstadt. Da ist erstens das Hotel Intercontinental aus dem Jahr 1964, eine 45 Meter hohe Scheibe mit breitem Sockel, ein typisches Beispiel der moderaten Wiener Moderne der Nachkriegszeit, das zu seiner Entstehungszeit zu Recht als „Masse ohne Maß“ kritisiert wurde. Dem Haus steht eine Totalsanierung bevor: Haustechnik und Fassade entsprechen längst nicht mehr aktuellen Ansprüchen, Konferenzräume fehlen. 2012 wurde das Objekt von Michael Tojner und der JP-Immobiliengruppe um 50 Millionen Euro erworben.

Ebenfalls mehrheitlich in Tojners Besitz wechselt im selben Jahr das zweite, unmittelbar angrenzende Grundstück, auf dem der Wiener Eislaufverein bis ins Jahr 2058 das Recht besitzt, eine 6000 Quadratmeter große Eisfläche zu betreiben. Der Kaufpreis aus dem Jahr 2012 ist nicht bekannt; 2008 wurde das Grundstück jedenfalls von dem damals zum Innenministerium ressortierenden Stadterweiterungsfonds um 4,2 Millionen Euro verkauft, nach Ansicht des Rechnungshofs um mindestens fünf Millionen Euro zu günstig. Der Eislaufverein ist bei den Wienern nach wie vor beliebt. Seine Gebäude haben ihre beste Zeit allerdings längst hinter sich.

Dass beide Grundstücke und ihre sanierungsbedürftigen Gebäude in einer Hand sind, bietet tatsächlich Chancen. Um diese auszuloten, begann im Jahr 2012 ein Verfahren, das jetzt mit einem Architekturwettbewerb einen vorläufigen Abschluss gefunden hat. Gestartet wurde im Frühjahr 2012 mit sogenannten Hearings, in denen Bezirks- und Stadtpolitiker, Abgesandte von Eislaufverein und Konzerthaus, Vertreter der Welterbehüter von Icomos sowie beamtete und selbstständige Stadtplaner und Architekten ihre Meinung über die zukünftige Entwicklung des Areals äußern durften. Es folgte ein „kooperatives Expertenverfahren“ im Sommer 2012, in dem drei Architektenteams rund 30 Bebauungsstudien entwickelten. Aus diesen destillierte eine Kommission eine Leitbild, das der Stadtentwicklungskommission zur Kenntnis gebracht wurde. Auf dessen Basis wurde schließlich ein internationaler, zweistufiger Architekturwettbewerb ausgelobt.

In diesem Prozess gab es eine einzige Konstante, die nie infrage gestellt wurde: die Erwartung der Projektbetreiber, zusätzlich zum Bestand mindestens 13.000, im Falle eines Abrisses und Neubaus des Hotels 18.000 Quadratmeter Nutzfläche für Luxuswohnungen zu erzielen.

Und so sieht der Siegerentwurf nun auch aus: Der brasilianische Architekt Isay Weinfeld projektierte eine um vier Fensterachsen verbreiterte und um zwei Geschoße erhöhte Hotelscheibe, dahinter einen 73 Meter hohen Turm mit Luxuswohnungen, beide verbunden durch eine zweigeschoßige Sockelplatte. Die Eisfläche wird gedreht, um dem Turm Platz zu machen, wodurch sie satte zehn Meter in die Lothringerstraße ragt, deren Fahrspuren nach Norden verschoben werden. Das verbreitert zwar den Gehsteig vor dem Konzerthaus; zumindest im Winter, wenn die Eisfläche mit einer Brüstung geschlossen ist, entsteht aber eine Barriere, der die Fußgänger aufdem Weg vom Konzerthaus Richtung Stadtpark ausweichen müssen.

Die Banalität dieses Projekts wird vor allem aus der Distanz sichtbar, etwa vom Stadtpark aus, wenn der Hochhausstummel ein Stück hinter der Hotelscheibe aufragt, oder vom Belvedere, wo sich Turm und erhöhte Scheibe mitten in die Achse des „Canaletto-Blicks“ schieben. Hier wegen der identischen Höhe von 73 Metern von einem zweiten Ringturm zu sprechen, wie von Jurymitgliedern zu hören war, ist absurd: Mit demselben Recht könnte man einen Turm in den Volksgarten neben das Burgtheater setzen. Auch die angebotenen öffentlichen Nutzungen – eine Sporthalle und ein 50-Meter-Schwimmbecken, alle ohne natürliche Belichtung im Keller liegend – rechtfertigen in keiner Weise den geplanten Eingriff in die Stadtstruktur.

Blick vom Schloss Belvedere.
Blick vom Schloss Belvedere.

Jetzt sind alle Illusionen ad acta zu legen. Nach zwei Jahren Diskussion, einem kooperativen Verfahren und schließlich einem Architekturwettbewerb, bei dem eine international besetzte Jury aus zwei Dutzend Projekten auswählen konnte, ist zumindest eines klar: Ein Projekt, das an diesem Standort die gewünschte Rendite bringt und gleichzeitig stadtplanerisch und architektonisch überzeugt, hat sich nicht gefunden. Die Visualisierungen, die von der MA 41, der Magistratsabteilung für Stadtvermessung, erstellt wurden, sprechen für sich. Selbst mit Unterstützung der „Kronen Zeitung“, deren Eigentümern Michael Tojner als Mitbesitzer desDorotheums verbunden ist, wird es kaum gelingen, diese Immobilienspekulation in der Öffentlichkeit als Schaffung eines „Orts der Begegnung, der Kultur und des Sports“ zu verkaufen.

Was soll die Stadtregierung jetzt tun? Vor allem zuhören: den Bürgern, die einen Ausverkauf öffentlichen Raums bei den nächsten Wahlen quittieren werden; der Unesco, die hier zu Recht die Aberkennung des Welterbestatus nicht nur androhen, sondern exekutieren wird; der Fachöffentlichkeit, die dieses Projekt nach Strich und Faden zerlegen wird. Mit der Entscheidung kann die Stadt sich Zeit lassen. Auch ohne Turm steckt genug „Fantasie“ in diesem Areal: in einer intelligenten Sanierung des Hotels, einem Ausbau der Infrastruktur, vor allem für den Konferenzbetrieb, und einer Bebauung auf dem Heumarkt. Luxuswohnungen können in den obersten Geschoßen des Hotels entstehen, indem vier der sehr niedrigen Geschoße zu drei mit luxuriösen Raumhöhen zusammengefasst werden. Die Projektbetreiber müssen entscheiden, ob sie als erfolglose Spekulanten oder als verantwortungsbewusste Eigentümer in die Geschichte dieses Areals eingehen wollen. ■

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.03.2014)

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