Leicht, sachlich, elegant

Ein neuer Stadtteil entsteht in der Wiener Krieau: „Viertel Zwei“, attraktiver öffentlicher Freiraum. Das erste Gebäude, ein Hotel von Zechner & Zechner, ist geglückt. Leider nicht sein Interieur.

In der Krieau im Wiener Prater entsteht derzeit eines der in mehrfacher Hinsicht interessantesten Stadtverdichtungsprojekte. „Viertel Zwei“ wurde es benannt, schon allein das klingt angenehmer als die diversen Cities, Gates und Montes, die allesamt schon dem Namen nach mehr nach cleverem Marketing diverser Investoren klingen als nach Architektur und Städtebau von Qualität und Haltung.

Vermarktet wird das Viertel Zwei auch gut. Aber man scheint in diesem Fall auch der Architektur Wertschätzung entgegenzubringen. Das äußert sich schon darin, dass die beteiligten Architekten und Architektinnen – obwohl es sich nicht um internationale Superstars handelt – auf Plakaten, Informationstexten oder in einem Werbefilm genannt sind. Klar wird hier unter den gleichen Rahmenbedingungen wie anderswo entwickelt. Ein hoher Kostendruck und das Streben nach Rendite geben den beteiligten Planern zwar auch nicht unbegrenzte Freiheiten, aber man spürt, dass die Architektur nicht nur Masche ist, sondern ein ernsthaftes Anliegen.

Dass der Bauherr, die IC Projektentwicklung GmbH, mehr als nur flott vermarktbare Objekte im Sinn hat, sondern im größeren Kontext denkt, artikuliert sich weiters darin, dass man große Bemühungen in die Gestaltung des Freiraums zwischen den Gebäuden legt. Entgegen der ursprünglichen Vorgabe der Stadt, den Grünraum am Rand des Areals vorzusehen, erhielt er schließlich nach den Plänen der Hamburger Landschaftsarchitekten WES & Partner seinen Schwerpunkt in der Mittelachse des Areals. „Das Interesse an der Gestaltung des Außenraumes geht über das hierzulande übliche Ausmaß weit hinaus“, so Dieter Henke von Henke/Schreieck Architekten. Noch herrscht dort, wo sich künftig ein 5000 Quadratmeter großer See samt Uferpromenade und Steg erstrecken wird, reger Baustellenbetrieb. Man darf sich aber schon darauf freuen, dass hier ab kommendem Jahr ein attraktiver öffentlicher Freiraum mit großer Aufenthaltsqualität zur Verfügung stehen könnte.

Es ist im Wesentlichen eine neue Bürostadt, die hier auf einer Fläche von vier Hektar, dank der Verlängerung der
U-Bahn-Linie 2 bestens an das öffentliche Verkehrsnetz angeschlossen, heranwächst. Der Projektentwickler hat dafür in enger Kooperation mit der Stadt Wien im Jahr 2004 neun Architekturbüros zum Wettbewerb für ein Bürohochhaus an der Ecke Vorgartenstraße/Trabrennstraße geladen, der von Henke/Schreieck gewonnen
wurde. Im Jahr darauf folgten Wettbewerbe für ein weiteres Bürohaus südöstlich des Turms (Gewinner: Martin Kohlbauer) und ein Hotel an der Trabrennstraße, den Zechner & Zechner für sich entscheiden konnten. Zur Teilnahme geladen waren jeweils vier Büros aus dem Kreis der Teilnehmer am ersten Verfahren. In Bau sind weitere vier im Grundriss kipferlförmige Bürohäuser von Henke Schreieck, ein weiteres Bürogebäude von Kohlbauer und ein kleineres Wohngebäude von Zechner&Zechner am Abschluss des Areals an der Vorgartenstraße.

Rechtzeitig vor der Fußball-Europameisterschaft wurde das rund 250 Zimmer umfassende Hotel eröffnet, das von Zechner & Zechner geplant werden musste, ohne den zukünftigen Betreiber zu kennen. Der Hotelbau antwortet mit einem bumerangförmig geschwungenen, achtgeschoßigen Zimmertrakt, der über einem eingeschoßigen Sockelbau auskragt, auf die konkav-konvexe Figur des benachbarten Hochhauses. Eingangshalle, Restaurant, Konferenzräume und die Büros der Hotelverwaltung liegen in der rundum geschoßhoch verglasten Sockelzone.

Die gerundet um die Ecken gezogene Glasfassade sorgt dafür, dass ein Teil des Hotelbetriebs vom öffentlichen Raum aus wahrgenommen werden kann, und erweitert umgekehrt den Innenraum nach außen, sodass selbst dann, wenn witterungsbedingt die zur künftigen Seepromenade orientierte Restaurantterrasse nicht genutzt werden kann, eine lichte und luftige Atmosphäre herrscht.

Auch wenn Gebäudefigur und städtebauliche Situierung den Hauptzugang in der nördlichen Gebäudeecke am Eingang zum begrünten Zentrum des Viertels nahegelegt hätten – und ursprünglich war er auch dort vorgesehen –, liegt er jetzt zentral an der Westfassade, um die Zufahrt mit Bussen und Taxis über zwei parallel zur Trabrennstraße liegende Fahrspuren einfacher zu bewerkstelligen.

Für die Fassadengestaltung stand das Prinzip der Barcodes mit abwechselnd hellen und dunklen schmalen Streifen
Pate. Helle Aluminiumblechpaneele und dunkle Fensterfelder wechseln einander ab. Geschoßweise horizontal verschoben, ergibt sich aus diesem Wechselspiel ein nüchtern schlichtes, aber keineswegs langweiliges Fassadenbild, das vor allem in der Fernwirkung sehr apart zum Tragen kommt. Sowohl zu der vom gegenüberliegenden Messegelände und den neuen Bürobauten geschaffenen Stimmung einer Businessstadt als auch zum Freizeitcharakter, den die Umgebung durch die benachbarte Trabrennbahn, das Stadion und den Prater im Allgemeinen hat, passt das von Leichtigkeit und sachlicher Eleganz geprägte Hotel sehr gut. Kein aufdringlicher Schnickschnack, sondern in guter Balance zwischen Wirtschaftlichkeit und Ästhetik ausformulierte Architektur, die dem Zweck und dem Ort in angenehmer Weise entspricht.

Wie bereits angedeutet, hat sich der Hotelbetreiber erst in der späten Bauphase gefunden, der seine eigenen Vorstellungen von der Innenraumgestaltung hatte. Weltweit gibt es 750 Courtyard Hotels der Marriott-Gruppe. Klar, dass die Kette entsprechende Richtlinien für die Raumgestaltung vorgibt, um einen gewissen Standard sicherzustellen. Schade aber, dass die Architekten, die das Gebäude konzipierten, innen so gut wie nichts mehr mitzureden hatten. Während Zechner & Zechner Klarheit und Eleganz ohne Protz umgesetzt haben, bietet sich nun im Inneren ein Sammelsurium an gestalterischen Einfällen, die stellenweise an den Schauraum eines zeitgeistigen Möbelhauses erinnern.

Die meisten Hotelgäste wird das nicht stören, man kennt das schließlich aus unzähligen anderen Hotels dieser Kategorie. Vermutlich würde es aber umgekehrt ebenso niemanden verärgern, wäre man beim Interieur einen Weg gegangen, der spezifischer auf den Charakter des Gebäudes eingeht. Man kann aber nicht einmal ernsthaft von einer vertanen Chance reden, weil sich diese Chance, realistisch betrachtet, unter den gegebenen Umständen nie aufgetan hat.

Das benachbarte Hochhaus von Henke/Schreieck und den Bürokomplex von Martin Kohlbauer wird im kommenden Jahr zur Gänze die OMV besiedeln. Hier erfolgt die Einrichtungsplanung unter Einbindung und Rücksprache mit den Architekten. Es lebt also die Hoffnung, dass hier Innen und Außen besser in Einklang stehen werden, als es beim Hotel möglich war. In etwas mehr als einem halben Jahr werden wir es genauer wissen. ■

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.06.2008)

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