Gebt der Rose Dornen!

Die diesjährige Geramb-Rose wurde verliehen – für „gutes Bauen in der Steiermark“. Die Preisträger: ein allzu bunter Strauß. Wie man einem Preis mit heiklen historischen Wurzeln ein schärferes Profil geben könnte. Ein Plädoyer wider die Beliebigkeit.

Der Zwiespalt steckt im Namen und in der Tradition, die mit diesem verbunden ist. Die Geramb-Rose, eine Auszeichnung für gutes Bauen in der Steiermark, ist benannt nach dem steirischen Volkskundler Viktor von Geramb, der die Volkskunde hierzulande als universitäre Disziplin etablierte und 1936 das Steirische Heimatwerk gründete. Das Faktum, dass Geramb seine 1931 begonnene Lehrtätigkeit an der Universität Graz 1938 aufgeben musste und erst ab 1945 fortsetzen konnte, verweist nicht etwa auf Widerstand gegen den Nazionalsozialismus, sondern auf Gerambs extrem konservative Gesinnung, die für die Bewahrung österreichischer Identität eintrat und eine Loyalität zum Ständestaat vermuten lässt, die den Nazis nicht passen konnte. In der Instrumentalisierung der Volkskunde als einer rückwärtsgewandten Kraft sind sich die Nazis und Geramb, der sich nach eigenen Angaben zu 50 bis 60 Prozent mit dem Nationalsozialismus identifizieren konnte, ideologisch hingegen nahe gewesen.

In einem unverändert konservativen Klimader Volkskunde, das von Volks- und Brauchtum geprägt war, wurde 1959, ein Jahr nach dem Tod Gerambs, die nach ihm benannte Rose ins Leben gerufen. Seit 1981 wird sie jährlich vom Verein „BauKultur Steiermark“, der vom Land Steiermark subventioniert wird, verliehen. Bis zu seiner Umbenennung 2002 hieß dieser Verein, dessen Gründungsmitglied Geramb war, „Heimatschutz in der Steiermark“.

Die Geramb-Rose ist ein Preis, mit dem in erster Linie Bauherrn ausgezeichnet werden, und genau darin liegt auch ein wesentlicher Teil ihrer Bedeutung. Sie wird auf dem Land, in noch stärker hierarchisch gefestigten Strukturen, als offizielle Anerkennung der Landesregierung gesehen und naturgemäß eindrücklicher aufgenommen als im anonymen urbanen Raum. Eine Geramb-Rose an einemGemeindeamt, einem Veranstaltungszentrum oder der neuen Schule einer ländlichenGemeinde gilt etwas, sie legitimiert nachträglich die Entscheidungen von Kommunalpolitikern, die sich für Bauqualität und Architekturwettbewerbe engagiert haben.

Vor einer Woche wurde die Geramb-Rose für 2008 verliehen, wie immer im festlichen Rahmen und wie in den letzten Jahren in einem der ausgezeichneten Objekte. Aus 70 von Bauherrn und Jurymitgliedern eingereichten Objekten wurden acht ausgewählt, die für einen repräsentativen Querschnitt des aktuellen Baugeschehens stehen könnten: ein Bestattungszentrum in einer kleinen Bezirksstadt, ein Wohnhaus für eine Jungfamilie, ein Musikheim in einer ländlichen Gemeinde, die Adaptierung eines Barockstifts für Seminarzwecke, ein Weinverkauf mit Buschenschank, ein Degustations- und Bürobau für ein Weingut und eine rollstuhlgerechte Wohnküche. Mit einem Sonderpreis wurde ein in Graz unverändert erhaltener Schneidersalon aus den 1950er-Jahren ausgezeichnet.

Eine derart „repräsentative“ Auswahl, aber auch die Menge der jedes Jahr vergebenen Ehrenpreise birgt die Gefahr in sich, indifferent und beliebig zu werden und den vielen länder- oder bundesweiten Preisen, die es in Österreich gibt, nur noch einen weiteren hinzuzufügen. Der Verein täte daher gut daran, der Geramb-Rose ein besonderes Profil zu geben.

Von der Altlast des Rückwärtsgewandten, Konservativen hat man die Auszeichnung längst befreit. Ihre historischen Wurzeln, die Nähe zu Volkskunde und Heimatschutz, könnten jedoch Ausgangspunkt einer unvoreingenommenen Interpretation von Zweck und Ziel der Geramb-Rose sein. Das hieße: Konzentration auf Entwicklungen und Tendenzen des Bauens im ländlichen Raum, auf die Auseinandersetzung mit Landschaftsfraß und Zersiedelung. Auf die Frage, wie beispielsweise am Hang landschaftsschonend gebaut werden kann. Es verlangte nach einem genauen Blick auf die Gewerbezentren an den Rändern unserer Orte, die bislang eiligst aus dem Boden gestampft werden, ohne Ordnungs- und Gestaltungsabsicht erkennen zu lassen, während zur selben Zeit die Ortskerne aufwendiger Verschönerungsaktionen unterzogen werden. Es dürfte keine Scheu geben vor einer kritischen Reflexion über Mittel und Formen dieser Schönheitsoperationen, die in guter Absicht geschehen und oft doch nur „Verschlimmbesserungen“ sind. In wie vielen touristischen Zentren der Steiermark beschränkt sich Ortsverschönerung auf aufdringliche Farbgebung und allgegenwärtigen hybriden Blumenschmuck in Trögen. Einmal eine unkonventionelle Gartengestaltung auszeichnen oder auch nur ein Blumenbeet in farb- und formvollendeter Poesie, wie man es im Mai im Park des Stifts Admont bewundern konnte – das wäre etwas! Und könnte auch Vorbildwirkung haben.

Am äußerst renommierten Sextener Architekturpreis für „Neues Bauen in den Alpen“, dessen vierte Auszeichnung dieser Tage in Buchform erscheint, könnte man Anleihen nehmen. Nicht an seiner Größe und seinem länderübergreifenden Anspruch, jedoch in der Erkenntnis seiner Jurymitglieder, zu denen auch Friedrich Achleitner zählt, dass nicht nur einzelne architektonisch herausragende Bauwerke auszuzeichnen sind, sondern auch Strategien oder Verfahren, die sich gezielt mit regionalen Aufgaben oder Strukturproblemen auseinandersetzen. Nicht dass die Jury des Sextener Architekturpreises nicht auch besondere Bauwerke auszeichnete, aber sie „analysiert fachkundig an deren Beispiel das Bauen in den Bergen mit seinen besonderen topografischen und klimatischen Bedingungen“.

Und wenn es Argumente dagegen gäbe, sich nur auf den ländlichen Raum zu konzentrieren? Auch dann machte es Sinn, den Preis über ein wechselndes Thema auszuschreiben oder die Jury eine Leitlinie ausarbeiten zu lassen, auf die sie ihre Betrachtung fokussiert. Eine einmalige Beschränkung, etwa auf Kommunalbauten, könnte zum qualitätsfördernden Wettbewerb unter den Gemeinden führen. Erstaunlicherweise lehnte der Verein just jene Auswahl ab, die die Jury von 2003 nach einer solchen selbst erarbeiteten Vorgabe getroffen hatte. Ihre Mitglieder kürten „Spezielles“ – Objekte und kleine Interventionen an Objekten, die nicht das Ergebnis einer professionellen architektonischen Planung waren, sondern selbst erdachte Konzepte und Lösungen von Bauherrn, unkonventionell, geistreich und sensibel – eine Form anonymer Architektur, zu der die Geramb-Rose gut gepasst hätte. Der Preis wurde in jenem Jahr nach Beschluss des Vereins nicht vergeben.

Voraussetzung für eine fachliche Aufwertung des Preises wären Kompetenz, Unabhängigkeit und Zeit, die der Jury gegeben werden muss, damit nichts übersehen wird und ein seriöser Diskurs entstehen kann. Wonach nicht mehr gesucht werden muss, ist „guter“ Regionalismus, der in keiner Region Österreichs zu finden ist, weil er ein Abziehbild einer Wirklichkeit wäre, die nicht mehr existiert. Gutes Bauen auf dem Land ist mehr als anderswo ein Bauen, das den Genius Loci erkennt und Gestaltung damit in Einklang bringt – nie rückwärtsgewandt verklärt. ■

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.07.2008)

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