Damals schrieb Böhmen, deutsches Land

Wien, 13. October 1865. Die Kriegslist,Verbündete dadurch zu gewinnen, daß der Gegner beim Anzuwerbenden fälschlich als gemeinsamer Feind, als verderbliche Hintergedanken gegen ihn hegend, dargestellt wird, ist so alt, wie der Krieg selbst. Es ist dies eine Waffe in dem Rüstzeug der Politik, die nie rostig wird; angewendet in der öffentlichen Discussion über das Wohl der Völker wird sie illoyal, und entwürdigt den, der sie führt. Daß die czechischen Föderalisten – wir unterscheiden sie streng von dem czechischen Volke – solche Mittel nicht verschmähen, ist uns nicht neu. Ihre Taktik entspringt der nervösen Erregung, in der sie sich fortwährend befinden, der inneren Unhaltbarkeit ihrer Sache. Im Reichsrathe, aus dem ihre Liebenswürdigkeit noch in sympathischer Erinnerung ist, und wo ihr Parteiführer in einem unbewachten Augenblicke einem Wiener Abgeordneten höhnende Straßenworte zurief, übten die Minister-Fauteuils magischen Reiz auf sie, und als sie sich ohnmächtig sahen, ihre Besitzer zu stürzen, schieden sie, Incompetenz-Bedenken vorschützend, in der That aber voll des Grolls, welchen Enttäuschungen steigern.

Mächtigere Hände vollbrachten endlich den Sturz des Cabinets, und zu ihrem schmerzlichsten Erstaunen mußten die Föderalisten erleben, daß die Krone andere Männer in ihren Rath berief. Jetzt kranken sie an dem Ehrgeiz, die Deaks und Ghiczys ihrer Nation zu spielen, und da es ihnen wieder nicht glückt, und ihrem Commandowort nicht Tausende jubelnd folgen, werfen sie sich mit Verwünschungen auf die Andersdenkenden im eigenen engeren Vaterlande.

Das Bleigewicht persönlicher Wünsche ist's, das ihre Politik niederzieht, und sie selbst vernichten die letzte Spur des Zaubers, von welchem reiner und edler Patriotismus immer umschwebt wird. Wie sollten nun wir, ihre natürlichen Gegner, eine ritterlichere Kampfweise erwarten! Wir erklären, daß wir Gerechtigkeit für jede Nationalität wollen, aber nicht jene Trennung, die den Theilen und der Gesammtheit den Tod brächte. ■

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.10.2015)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.