Die allgemeine Wehrpflicht

Wien, 25. October 1866. Nur die Banknotenpresse arbeitet in Oesterreich mit Energie, denn, wie eine uns Berichtigung meldete, es werden täglich eine Million Gulden Staatsnoten gedruckt.

Auf allen anderen Gebieten der Verwaltung wird nach dem alten österreichischen Motto gehandelt: „Immer langsam voran.“

Unsere Hoffnungen auf eine reformatorische Thätigkeit der Regierung sind längst herabgestimmt; dennoch erwarteten wir, das Armeewesen würde gründlich umgestaltet werden. Bis jetzt aber haben wir noch von keiner Reform auf dem Gebiete des Heerwesens gehört. Die Militär-Verwaltung hüllt sich in das tiefste bureaukratische Geheimnis.

Und doch hätt gerade sie Anlaß, ihre Vorschläge dem Gutachten der öffentlichen Meinung zu unterwerfen. Maßregeln, die jedes Gebiet des öffentlichen Lebens berühren, müssen erst vom Volk in ihrer Trefflichkeit erkannt sein, wenn ihre Durchführung der Beihilfe des Volkes gewiß sein soll. Die preußische Wehrverfassung ist nur darum von so gewaltiger Wirksamkeit, weil sie den Wünschen des Volkes entsprach und ihre Einführung von der Begeisterung aller Wehrpflichtigen gefördert wurde. Nachdem uns unsere Generale von Niederlage zu Niederlage geführt haben, während selbstLaien die Fehlerhaftigkeit des berühmten Feldzugsplanes für die Nordarmee erkannten, hätte die Heerleitung Anlaß genug, das Vorurtheil von der Urtheilsfähigkeit des Volkes über militärische Dinge fahren zu lassen. ■

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.10.2016)

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