Becken mit Kunstblick

Die Lage könnte kaum besser sein. Der Umgang mit historischer Bausubstanz auch nicht. Wie sich das Badner Frauenbad zum Arnulf-Rainer-Museum wandelte.

Wer stilgerecht mit der Badner Bahn anreist, sieht sich bei der Ankunft am Josefsplatz dem Arnulf-Rainer-Museum direkt gegenüber. Die Lage könnte nicht besser sein. Die Location: das ehemalige Frauenbad. Nun ist es in Baden so, dass allerorten Gebäude stehen, die mit „-bad“ endende Aufschriften tragen: Leopoldsbad (Sitz des Tourismusamtes), Josefsbad (beherbergt eine Bar), Franzensbad (heute ein Hamam, immerhin), Johannesbad (heute „Theater am Steg“). Die für Baden kennzeichnenden kleinen Badehäuser direkt über den einzelnen Schwefelquellen, zumeist aus der Zeit des Vormärz, sind allesamt nicht mehr in ihrer ursprünglichen Nutzung in Betrieb.

Das Frauenbad, 1821 nach Entwürfen von Charles de Moreau gebaut und bis 1973 als Bad in Betrieb, war, mit Umbauten des späten 19. Jahrhunderts, in seiner Substanz gut erhalten. Als moderner Franzose seiner Zeit war Moreau von der „Revolutionsarchitektur“ Claude-Nicolas Ledoux' und Etienne-Louis Boullées beeinflusst und einer starken Liebe zum Strengen, Stereometrischen verpflichtet, die seine Bauten, neben denen des in Baden ebenfalls gut beschäftigten Joseph Kornhäusel, hierzulande zu den bedeutendsten ihrer Zeit zählen lässt.

Ist bei historischen Gebäuden mit spezieller Bauaufgabe wie Bädern viel Originalsubstanz erhalten und kommt daher der Denkmalschutz ins Spiel, sind bei Nutzungsänderungen mehr denn je intelligente Konzepte gefragt. Gerade bei den unrentabel gewordenen großen Hallenbädern der Jahrhundertwende sind museale Nutzungen nicht selten. Vor allem in Deutschland mit seinem großen Bestand an Volksschwimmbädern werden mehrere Bäder museal oder als Theaterspielstätten genutzt. Auch das Frauenbad – nicht etwa ein Bad nur für Frauen, sondern nach der benachbarten Frauenkirche benannt – wurde seit 1977 für Ausstellungen genutzt. Die erste war Arnulf Rainer gewidmet.

Als vor ein paar Jahren das Land Niederösterreich beschloss, dass nach Hermann Nitsch und Adolf Frohner auch Rainer ein eigenes Museum bekommen sollte, wünschte sich Rainer keinen Neubau, sondern dezidiert das Frauenbad als Standort. Keinen neutralen „White Cube“ also, sondern einen Bau mit Geschichte, architektonisch und damit auch semantisch stark definiert und in seiner historischen Substanz praktisch nicht antastbar. Keine leichte Aufgabe für Architekturbüros. Aus einem 2006 ausgeschriebenen, zweistufigen Wettbewerb ging die junge Wiener Arbeitsgemeinschaft Lottersberger-Messner-Dumpelnik siegreich hervor.

Gegeben war ein an seiner Fassade streng symmetrischer, im Grundriss aber aufgrund der zwei unter den Becken sprudelnden Schwefelquellen asymmetrischer und seines städtebaulichen Zusammenhangs wegen trapezoider Baukörper. Das Konzept des Teams Lottersberger-Messner-Dumpelnik war im Wesentlichen ein Rückführen auf die architektonische Substanz. Am Äußeren signalisiert neben einer hellen Beleuchtung der Kolonnadenzone ein quaderförmiger Dachaufbau mit nach dem Vorbild von Karl Schwanzers Wiener „Zwanzgerhaus“ darauf angebrachter Rainer-Signatur in Neonblau die neue Codierung des Gebäudes. Die Dachlaterne wurde hierfür mit zwei Schichten transluzenten Lochblechs umhüllt, die in der Bewegung der sich Nähernden beabsichtigte Moiré-Effekte entstehen lassen. Zur Architektur des statischen klassizistischen Gebäudes kommen so kleine Bewegungsmomente.

In das Foyer, wo neue Infrastruktur für Kassen, Shop und Garderobe nötig war, stellten die Architekten eine Baldachin-Konstruktion in weiß gewachster Mooreiche. Die fahle Farbe und die haptische Materialität des Holzes ziehen sich durch das ganze Haus und kennzeichnen die zeitgenössischen Eingriffe, die hauptsächlich der Erschließung der Ausstellungsräume dienen. Die zurückgenommene Farbigkeit des Holzes korrespondiert hier mit den kühlen, noblen Marmorwänden der Becken und den neuen, weißen Terrazzoböden. Das im „Stundenbad“, einem kleinen Extrabecken, erhaltene alte Bodenmosaik blieb unangetastet.

Nicht verändert wurde, bis auf den neuen Terrazzoboden, auch der zentrale Festsaal mit gemaltem Marmordekor, für den eine sich anbietende Café-Nutzung bisher nicht durchgesetzt werden konnte. Seitlich sind über den Festsaal die Ausstellungsräume in den Becken und den dahinterliegenden Umkleidetrakten zugänglich. Über den beiden Becken des Frauen- und des kleineren Karolinenbades wurden die Anfang der Neunzigerjahre eingezogenen Glasböden entfernt und die Becken als solche stärker wahrnehmbar gemacht, als sie im gefüllten Zustand je waren. Es haben sich dadurch hohe Ausstellungsräume ergeben, die man einerseits durch Hinuntersteigen, andererseits auf Wasserspiegelebene über Holzstege und Aussichtkanzeln mit Glasbrüstungen betritt.

In den Umkleidebereichen wurden jeweils an einer Seite des Raumes die weiß gestrichenen Kabanen an Ort und Stelle erhalten. Darin werden, bei entfernten Türen, im Halbjahresrhythmus wechselnd, kleinere Einzelarbeiten Rainers gezeigt. Neu eingezogen wurde in diesem Bereich die leichte Konstruktion einer Zwischenebene für Bibliothek und Filmprojektionen.

Die Architektur wurde hier, durchaus im Sinne einer Re-Interpretation der Moderne, in sehr nüchterner Weise auf ihre wesentlichen Prinzipien zurückgeführt. Mit Rainers Arbeiten verträgt sich das sehr gut. Dass im Merchandising-Sortiment des Museums hellblau bestickte Gästehandtücher mit Rainer-Signatur zu erstehen sind, mutet da eher wie eine seltsame Fußnote an. Hoch anzurechnen ist es der Stadt Baden jedenfalls, dass den Architekten des Museums auch die Neugestaltung des Josefsplatzes übertragen wurde, der sich derzeit als wirres Agglomerat von halbhohem Gebüsch rund um die beiden Gleise der Badner Bahn präsentiert. Die unaufgeregte Herangehensweise von Lottersberger-Messner-Dumpelnik wird dem Platz mit Sicherheit guttun. ■

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.10.2009)

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