Die schöne Seite der Medaille

Das Salzburger Bankhaus Spängler in Linz: Aus einem desolaten Haus wurde ein modernes Bankgebäude – mit Rücksicht auf die historische Bausubstanz. Dafür gab es auch den Bauherrenpreis.

Zuletzt sind es doch eher die Schattenseiten des Geldes gewesen, denen unsere Aufmerksamkeit gegolten hat: der Gier, der Ungerechtigkeit, dem allgemeinen Niedergang, die durch „die Finanzwirtschaft“ befeuert werden. Viel seltener nehmen wir – aus Mangel an Gelegenheit? – die kulturellen Werte in den Blick, die Geld, klug eingesetzt, schafft und erhält. Es mag die recht selten gewordene Verbindung von Vermögen, kulturellem Verantwortungsbewusstsein und visionärem Mut gewesen sein, die dem Salzburger Bankhaus Spängler 2011 den begehrten Bauherrenpreis der Zentralvereinigung der ArchitektInnen Österreichs eingetragen hat.

Mut hat ja schon die Entscheidung erfordert, ein desolates und denkmalgeschütztes Haus am Linzer Hauptplatz zum Standort der Niederlassung in Oberösterreich zu wählen. Ebenso (branchen)unüblich war es, die Revitalisierung des Gebäudes nicht einem geschmeidigen Immobilienabwickler zu überlassen, sondern sie den jungen ortsansässigen Heidl Architekten anzuvertrauen. Und auch der in den 1990er-Jahren begonnene, in bisher drei Etappen abgelaufene Adaptierungsprozess hat Architekten und Bauherrschaft mit immer neuen Herausforderungen überrascht.

Das nur sechseinhalb Meter breite, aber 60 Meter tiefe Haus, das sich mit seinen drei Fensterachsen fünfgeschoßig an der Westseite des Linzer Hauptplatzes erhebt, steht auf mittelalterlichen Grundmauern und wurde in seiner Jahrhunderte währenden Geschichte mehrmals umgeformt. Es besteht aus einem dem Platz zugewandten Haupthaus, dem von einem spätgotischen Arkadenhof geprägten Mitteltrakt und einem Hinterhaus. Beim Gang durch das Gebäude öffnet sich, an der perspektivisch wirkungsvoll geknickten Mittelmauer aufgefädelt, eine abwechslungsreiche Folge von Innen- und Außenräumen, die ein ebenso komplexes wie leistungsfähiges Gefüge von Wegen, Blickbeziehungen, Lichtschneisen und Belüftungsströmen bildet. Es galt nun, dieses behutsam von den Anlandungen der Zeit zu befreien und ihm so seine ursprüngliche Funktionstüchtigkeit wiederzugeben. Dabei stieß man auf eine Tragstruktur, die zwar viele Hohlräume aufwies, ihrer Aufgabe der Lastverteilung dennoch weitgehend in der historischen Substanz gewachsen war. Einschneidende Ereignisse wie der Linzer Stadtbrand im Jahr 1800 haben darin ebenso ihren Niederschlag gefunden wie die Eigenart gotischer Gewölbe, sich an den Nachbarhäusern abzustützen.

Die Rückführung der Anlage auf ihren Zustand in einer bestimmten Epoche war ebenso wenig Ziel der Maßnahmen wie ihre Modernisierung mit dem Ergebnis einer einheitlichen, heutigem Schönheits- oder auch nur Ordnungsempfinden entsprechenden Oberfläche. Heidl Architekten haben zwar großflächig gotischen Verputz und alte Steinstiegen unter dicken Belägen freigelegt, eine aus dem frühen 19. Jahrhundert stammende Fensterverkleidung aber dennoch belassen und ergänzt, sodass die dahinter verborgene barocke Wandmalerei erst durch das Öffnen eines Paneels sichtbar wird. Mit kleinen Gesten dieser Art wird der besondere Reiz des Hauses, seine zeitliche wie räumliche Vielschichtigkeit, ebenso unterstrichen wie durch den Verzicht auf schnelle Perfektion: Was noch gebrauchstüchtig war, wurde in Ruhe gelassen. Manche Steinplatten in den Gängen haben Sprünge, der eine oder andere Deckenbalken ist nach wie vor leicht angekohlt, und man senkt den Kopf gerne vor dem Türsturz, der mit seiner Schräglage die unterschiedlichen Setzungen der Wände dokumentiert und, hoffentlich, auch künftigen Generationen noch zeigen wird, wann und wo die Situation gefährlich werden könnte.

Die Schichte, mit der die Heidl Architekten die historische Substanz an heutige Vorstellungen von Komfort herangeführt haben, fügt sich deutlich sichtbar ihrer Entstehungszeit zugehörig und dennoch ohne falschen Ton in den Zusammenklang der Epochen. Da die Bauherrschaft bereit war, die Organisationsstruktur ihres Betriebs jener des Hauses anzupassen, konnten die Heidl Architekten die Revitalisierungsmaßnahmen im Erdgeschoß und in den beiden ersten Obergeschoßen auf ein schonendes Freilegen der räumlichen Vorzüge des Denkmals konzentrieren. Der schlechte Erhaltungszustand der Tragkonstruktion im dritten und vierten Obergeschoß machte hier allerdings den Einbau von Betonscheiben und einer neuen Dachschale aus Beton notwendig. Um Gewicht zu sparen, ist ein großer Teil dieser beiden Ebenen zweigeschoßig ausgeführt, was ihr Entstehungsdatum ebenso klar kommuniziert wie die Oberflächen aus Sichtbeton. Die haustechnische Nachrüstung des Gebäudes erfolgte über einen vertikalen Strang, der in allen Geschoßen mit hinterleuchtet satiniertem Glas verkleidet ist. Ein Doppelboden aus Bambusholz – ebenfalls effektvoll durch Lichtbänder vom Bestand getrennt – ermöglicht die horizontale Verteilung der Versorgungsleitungen unter weitgehender Vermeidung von Eingriffen in die historische Substanz. Gleichzeitig gewährt er größtmögliche Variabilität der Arbeitsplätze, was seitens der Nutzer gerne angenommen wird.

Generell zeigt das Bankhaus Spängler nach wie vor jene Offenheit und Experimentierfreude im Umgang mit seinem Objekt, die es schon zu Beginn des Unterfangens an den Tag gelegt hat. Lediglich die dem Hauptplatz zugewandte Kassenhalle im Erdgeschoß – von den Heidl Architekten mit scharrierten, teils lederbelegten Betonfertigteilen ausdrücklich bescheiden bei größtmöglicher Werthaltigkeit ausgestattet – ist seit der Eröffnung unverändert. Die anderen Räume werden im Wechsel der Bedürfnisse immer wieder neu besiedelt. Dazu zählt auch der Hof mit seiner im Zuge der Umbauarbeiten wiederentdeckten, teilweise erst entstandenen Vielfalt an malerischen Terrassen, Aufgängen und Durchblicken. Er ist in Zusammenarbeit mit der Landschaftsplanerin Barbara Bacher als abwechslungsreiche Ergänzung des Raumangebots gestaltet worden. So ist die gesamte Anlage nun ein schönes Beispiel dafür, wie man aus schlummerndem Kapital mit maximaler Anmut Gewinne für die Zukunft schöpft. ■

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.02.2012)

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