Kochshow siegt über Literatur

Mehr als populärkulturelles Phänomen denn als literarisches Ereignis wird auch Dirk Stermanns zweiter Roman auf die Öffentlichkeit treffen. „Stoß im Himmel“ – ein richtungsloser Roman belangloser Späßchen.

Dirk Stermann: Das ist der große, gut aussehende Deutsche, der mit dem etwas kleineren und nicht ganz so gut aussehenden Christoph Grissemann (der kein Buch geschrieben hat) das Duo „Stermann&Grissemann“ gibt. Gemeinsam werken beide seit Anfang der 1990er-Jahre als Moderatoren und Kabarettisten, unter anderem mit dem erfolgreichen und witzigen Programm „Die deutsche Kochschau“. Seit 2007 moderieren sie im ORF eine Talkshow, die sich „Willkommen Österreich“ nennt. Dieses Format gehört zu dem Besten, das der Sender seit Hermes Phettbergs legendärer „Nette Leit Show“ zu bieten hat.

Der Witz von „Willkommen Österreich“ besteht im Verhältnis der beiden zueinander. Ihr Dasein als altes Ehepaar schamloser Unterhaltung breiten sie genüsslich aus. Grissemann wirkt dabei immer etwas angespannt. Nur er scheint den Ablauf der Show in allen Details präsent und die Gesamtchoreografie voll im Griff zu haben. Der oft unkonzentrierte Stermann muss da vom österreichischen Partner (ausgerechnet!) ermahntund teils zu den für ihn verfassten Pointen geradezu getrieben werden. Im Umgang mit den Gästen erweist sich aber der Deutsche als Charmeur und fängt manche Grobheit des Österreichers ab. Kurzum: An den deutsch-österreichischen Klischees sind hier einige Stellschrauben verschoben.

Mit seinem ersten literarischen Buch, „6Österreicher unter den ersten 5“, das aus diesen Klischees seinen Witz schlug, landete Stermann vor drei Jahren einen in dieser Dimension unerwarteten Bestseller. 120.000 Stück des „Romans einer Entpiefkenisierung“wurden verkauft, obwohl oder gerade weil das Buch von der Literaturkritik weitgehend unbeachtet blieb. Allzu ausschweifende Würdigungen der literarischen Qualität wird es wohl auch jetzt nicht geben, da der zweite Roman des Autors erschienen ist. Nach einerGasse in Wien, in der Stermanns Protagonist lebt, nennt sich das Buch „Stoß im Himmel“, und als Untertitel ist – um an den Erfolg anzuknüpfen – diesmal „Der Schnitzelkrieg der Kulturen“ gesetzt.

Einen Schnitzelkrieg aber führt Stermann hier zunächst mit oder auch gegen sich selbst. Lange Passagen früherer literarischer Werke werden im Buch verwurstet, darunter ein langatmiger Roman über das Ruhrgebiet, für den sich damals – mit Recht – kein Verlag interessiert hat. Über dem alten und zu ungeheurer Größe aufgebauschten Textfetzen errichtet Stermann nun eine Fiktion: Ein US-Germanist namens William Ebenezer Mundprecht liest ihn Korrektur und streicht ihm alle Teile, die er aufgrund mangelhafter Deutschkenntnisse nicht versteht. Im Druck sind diese Stellen schwarz eingefärbt, besser wird die Geschichte dennoch nicht. Auch die Ablehnung durch den Verlag baut Stermann in sein Buch ein, woraus sich ein Triumph des Fernsehens über die Literatur ergibt: Jetzt, da der Autor aus Funk und TV bekannt ist, hat der Verlag noch an den ältesten Hadern pure Freude. Als Leser aber ist man weniger glücklich. Da fragt man sich, wie lieb man Dirk Stermann eigentlich haben muss, um ihm die ganze Fadesse seines Romans zu verzeihen.

Schreiben, einen Sommer lang

Einer der vier Erzählstränge, die der Autor in einer Lieblosigkeit, die Programm ist, verbunden hat, nennt sich „Ich“. Da „Willkommen Österreich“ im Sommer pausiert, heißt es da, habe er sich hingesetzt und sein Buch geschrieben. Als dann im Herbst „Willkommen Österreich“ wieder gestartet wurde, seien die 330 Seiten fertig gewesen. Warum nur macht die Sendung bloß solche Pausen?

Ein Drittel des Buches sei wahr, ein Drittel Fiktion und ein Drittel gelogen – so erklärt Stermann die Sache in einem Interview. In Wahrheit, die hier wohl selbst zu mindestens einem Drittel reine Lüge ist, habe er zwei Sommer lang an dem Buch geschrieben. Protagonist im Hauptstrang ist Rudi Gluske. Der Klappentext spricht davon, dass es sich bei dieser Figur um einen „Kumpel“ des Autors handelt – da kann, so möchte man meinen, ja fast nichts mehr passieren, tut es dann aber doch.

Für ein U-Bahn-Gratisblatt schreibt Gluske eine Fortsetzungsstory für Kinder mit dem schönen Titel „Superknut“. Auch dahinter versteckt sich ein alter Text Stermanns. Brenzlig wird es für Gluske, als ihm in der Schulküche, wo er mittags kocht, bei der Essensausgabe ein Teller mit Schnitzeln verrutscht. Möglich, dass ein Bub, dessen Urwiener Vater zum Islam konvertiert ist und der sich seither Abdullah nennt, anstatt des ihm zugedachten Hühnerschnitzels ein Schweinsschnitzel erwischt hat. Herr Abdullah macht daraus eine große Sache, weltweit formieren sich Proteste gegen Gluske. Am Ende des Buches ruft beim leibhaftigen Stermann der „Presse“-Korrespondent Karim El-Gawhary an, um zu vermelden, dass sich die Lage nun etwas beruhigt hat.

Mit der US-Herkunftsfamilie von Gluske (eine Verwandte kehrt dorthin zurück und schreibt ihm viele Briefe) und seiner französischen Frau Laetitia und deren Familie bautder Autor weitere kulturelle Schnitzel in den Text. Eine Gesamtrichtung indes fehlt dem Buch, es sei denn, man nähme seine Richtungslosigkeit und die bewusste Schludrigkeit seines Stils als Intention.

Man muss kein Germanist sein, um das Buch nicht zu mögen. Aus den heterogenen Texten erwächst nichts und die vielen literarischen Bezüge, die Stermann einbaut (warum eigentlich?), wirken in dem Gesamtensemble ganz besonders leer. Da wäre es besser gewesen, gleich zu 100 Prozent bei belanglosen Späßchen zu bleiben. Anders als prominente heimische und bundesdeutsche Größen weist Stermann am Ende des Buches dann immerhin die verwendeten Zitate aus: von Johann Christian Günther bis zu seinem Düsseldorfer Kollegen Thomas Kling. Dieser kann sich gegen die Art seines Vorkommens leider nicht mehr wehren.

Zufrieden mit dem Buch sind einige Kollegen im Netz. Nach Erscheinen eines Teils in jener österreichischen Tageszeitung, die stets die meisten und auch dümmsten Postings hat, schreibt „coolness52“: „Guter Mann, schön, dass es einem Solchen in Wien gefällt und er seine selten wichtigen Aufgaben wahrnimmt. Danke von meiner Seite für die Mühe.“ „Cle Mens2“ meint: „Sehr guter Mann, wenn er auch geborenen WienerInnen kaum Neuigkeiten berichtet/berichten kann, ist seine Sichtweise aussergewöhnlich scharfsinnig, sein Stil gut zu lesen und auch witzig.“ Schließlich „Thomasbernhard“: „Vor allem ist er angenehmer wie die Wiener.“ ■

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.03.2013)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.