Was ich lese: Cordula Simon

Lesen Sie, was Sie wollen – ich empfehle Ihnen ein beliebiges Buch. Unter meinen Universitätsprofessoren meinte einer: „,Werther‘ ist für uns gestorben“.

Lesen Sie, was Sie wollen – ich empfehle Ihnen ein beliebiges Buch. Unter meinen Universitätsprofessoren meinte einer: „,Werther‘ ist für uns gestorben“. Was er damit meinte, ist, dass „Werther“ Selbstmord begeht, damit wir als Leser nachempfinden können, wie es ist, sich umbringen zu wollen, ohne es selbst erleben zu müssen.

Nach einer Unmenge an Büchern ist mit diesem Satz zu mir zurückgekommen, was ich im Studium fast verloren hätte: Ich habe wieder begriffen, warum ich lese. Ich schlage ein Buch auf, identifiziere mich mit Figuren, und wenn ich genug vom fremden Leben habe, schlage ich es wieder zu. Und damit ist's auch gut.

Sie kennen vielleicht das Gefühl, dassIhnen ein Buch empfohlen wird, und Sie denken sich bei der Lektüre: So ein Topfen. Ich will heute auch nicht mit dem „Werther“ wedeln und sagen: Lesen Sie den Werther. Goethe ist ja Dichterfürst blabla...

Gehen Sie in eine Buchhandlung, um zu stöbern. Eine kleine Buchhandlung, wo man Sie beim Blättern nicht stört. Kaufen Sie sich ein Buch – oder mehrere. Und sagen Sie nicht: Wir haben ja Krise, ich muss ja sparen. Ein Buch unterhält schließlich länger als nur einen Abend. Billiger als Kino und Restaurant.

Ärgern Sie sich über die Blödheit der Protagonisten, oder freuen Sie sich mit ihnen. Merken Sie sich einen hübschen Satz. Fangen Sie an, mit ihren Freunden über den Inhalt zu streiten – und verdammt: Genießen Sie es! ■

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.06.2013)

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