Was ich lese

Schriftsteller und Journalist, geboren 1969 in Salzburg

[ Foto: Christine Andorfer ]

Die Recherchen für meinen neuen Roman haben mich in die kleinste Zelle der Neidgesellschaft geführt: Schön fürdich – Neid und Konkurrenz in der Liebesbeziehung des Psychologen Thomas Zimmermann (mvg-Verlag, München). „Um Neid zu empfinden, reicht es völlig aus, wenn einer sich nur vorstellt, dem anderen gehe es gut“, heißt es so schön in dem sympathisch geschriebenen Sachbuch, das auch mit vielen Fallbeispielen die Kollateralschäden aus geringem Selbstvertrauen und beschädigtem Selbstwert, die immer mehr zu Bürgerkriegen in Paarbeziehungen führen, beschreibt.

Folge- und Begleiterscheinungen der Implosion der Kampfzone erwachsen in meinem Roman in Form von Zwangsstörungen und Selbstmord: Putzen bis der Arzt kommt von Lena M., Julia Schenk und Peter Neudeck (Pabst Science Publishers, Lengerich) beschreibt anhand einer mit Interviews belegten Leidensgeschichte, wie der Putzzwang einen Menschen wie eine Droge dominieren und lebensunfähig machen kann.

Die Studie des österreichischen Psychiaters Erwin Ringel (1921 bis 1994) über den Selbstmord –Abschluss einer krankhaften psychischen Entwicklung (Dietmar Klotz Verlag, Magdeburg) hat zwar mittlerweile schon 60 Jahre auf dem Buckel, seine Hervorhebung der Neurose als häufigster Ursache von Depressionen, Alkoholismus, Einengung und Aggression ist aber heute noch genauso gültig wie zur Zeit der 1950er-Jahre, in denen die Grundlagen für unsere Neid- und Konkurrenzgesellschaft gelegt wurden, frei nach dem Motto: Angst essen Seele auf. ■

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.01.2015)

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