Griechenland muss bleiben!

Marcel Fratzscher hält es für keine Lösung, die Griechen aus dem Euro zu drängen.

In Deutschland geht wieder die Angst um, nämlich durch die Nichtrückzahlung der Kredite der Krisenstaaten viel zu verlieren. Die Furcht ist nicht ganz unberechtigt. Die südeuropäischen Staaten importierten lange Zeit mehr, als sie exportierten. Sie mussten also Kredite im Ausland aufnehmen. Wer ist besser geeignet, diese Kredite zur Verfügung zu stellen, als jene Staaten, die mehr exportieren als importieren und daher Kapital exportieren müssen?

In Europa sind das Deutschland, die Niederlande, Schweden, Dänemark und in geringerem Maß auch Österreich. Dazu kommt, dass die Wohlhabenden der Krisenländer Teile ihres Vermögens ins Ausland transferierten. Sie halten etwa Wertpapiere aus Deutschland und anderer als sicher geltenden Staaten, während ein Teil der Schulden der unsicheren Staaten bei den anderen Staaten und der EZB liegen. Deren Ankaufsprogramm wird diesen Anteil erhöhen.

Solche andauernden Ungleichgewichte sind ein Problem, und es wird diskutiert, wie den daraus entspringenden Gefahren zu begegnen ist. In Deutschland sind aber manche der Diskussionsbeiträge, auch solche von sehr prominenten Teilnehmern, von unangenehm nationalistischen Obertönen begleitet.

Der bekannteste Diskutant dieser Richtung ist wohl Hans-Werner Sinn, Leiter eines großen Forschungsinstituts. Der Grieche will deutsche Autos, aber nicht dafür arbeiten, hieß es in „Die Target-Falle“. In seinem jüngsten Buch, „Gefangen im Euro“, werden die Auseinandersetzungen um die EZB so dargestellt, als müssten die sparsamen, also anständigen Deutschen vor den weniger anständigen, nämlich mit den anderen Südländern solidarischen Welschen geschützt werden.

Souveränität aufgeben

Das vorliegende Buch, „Die Deutschland-Illusion“, von Marcel Fratzscher, ebenfalls Leiter eines großen Forschungsinstituts,ist eine Gegendarstellung zu Sinn. Fratzscher zeigt, wo die Argumente von Sinn falsch sind und dass die von ihm angestrebte Lösung, nämlich Griechenland aus dem Euro zu drängen, die Probleme der EU vergrößern würde. Nur eines hilft,nämlich Wirtschaftswachstum zu fördern. Er weiß jedoch, dass das nicht einfach ist. Eine solche Politik setzte voraus, dass manche Aspekte der Souveränität eines Staates zugunsten der EU aufgegeben werden.

Fratzschers Argumentation zeigt freilich, dass politische Diskurse nicht einfach von einem Land in ein anderes übertragen werden können. Sinn behauptet, dass die Politik der EZB zum Schaden Deutschlands ist. Die Risiken für Deutschland werden erhöht und die Zinssätze für Sparer gesenkt. Fratzscher hält dem entgegen, dass die konkreten Maßnahmen der EU und EZB Deutschland genützt haben, weil deren oberste Priorität ist, den Zusammenbruch der Finanzmärkte zu verhindern. Ich vermute, dass in Griechenland diese Feststellung als Beweis für die Bösartigkeit der EU-Politik gesehen würde. Fratzscher geht eben davon aus, dass funktionierende Finanzmärkte notwendig für gute wirtschaftliche Entwicklungen sind. Sinn lehnt diese Priorität explizit ab. Er glaubt an ein Zurück zu den Nationalstaaten. Die von ihm verwendete Sprache lässt Schlimmes befürchten.

Insgesamt bietet das Buch von Fratzscher, vielleicht gemeinsam mit dem von Sinn, eine brauchbare Einführung in die währungspolitische Diskussion. Diese zu verstehen kann für die öffentliche Diskussion nur von Vorteil sein. ■

Marcel Fratzscher

Die Deutschland-Illusion

Warum wir unsere Wirtschaft überschätzen und Europa brauchen. 278S., geb., €20,50 (Hanser Verlag, München)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 31.01.2015)

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