Die Taube im Erbrochenen

In „Superheldinnen“ zeichnet Barbi Marković eine trostlose Gesellschaft ohne Bitternis.

Mascha, Direktorka und die Ich-Erzählerin sind ein „stranges“ Team: drei Migrantinnen mit magischen Kräften, die es sich zur Aufgabe gemacht haben, unliebsame Menschen durch ihre Superpower auszulöschen. Mascha ist die Stärkste von ihnen; Direktorka experimentiert gerne. Die Protagonistin beschreibt sich selbst folgendermaßen: „enttäuscht vom Leben, mit einem dehnbaren Gewissen“.

Gleich zu Beginn des Buches begegnet der Ich-Erzählerin eine Taube, die in einem riesigen Kotzfleck hockt. Sie ist eine Art Vorzeichen für das Schicksal, das den drei Frauen widerfahren wird. Denn durch ihre magischen Kräfte werden die Mädchen es nicht nur schaffen, die Stadt Wien von allen Tauben zu befreien; sie werden sich außerdem mit vereinter Energie einen Gewinn im Casino sichern und so zur klassischen Mittelschicht überwechseln können und ein neues Leben beginnen. Ein Happy End? Wohl kaum, denn Direktorkas leichter Gestank unter den Achseln bleibt auch nach dem sozialen Aufstieg bestehen.

Was an „Superheldinnen“ fasziniert, ist nicht der Plot. Die Handlung ist leicht erzählt, sie berichtet von regelmäßigen Treffen der Crew im Café Sette Fontane, ihrer Reflexion über die gemeinsame Kolumne in der vom Casino gesponserten Zeitschrift „Astroblick“, deren Freundschaftsgeschichte und letztlich über den gesellschaftlichen Aufstieg zum „typical-middle-class“ Wiener, der sich ein normales Essen in einem guten Restaurant leisten kann.

Die Form des Buches ist spannend:So verfasst die 1980 in Belgrad geborene Barbi Marković einen Teil, der in Berlin spielt, ausschließlich in kurzen, durchnummerierten Sätzen oder Satzhäufungen. Außerdem werden reihenweise Kaufpreise der unterschiedlichsten Waren zitiert und blockartig in den Fließtext eingeschoben. Hier reicht die Bandbreite von Nahrung bei „Burger King“ bis hin zu aktuellen Preisen diverser Möbelstücke. Was die Sprache betrifft, bedient sich die Autorin unterschiedlicher Stimmführungen, was mit der collagierten Form zusammenhängen mag.

Verspielter als Thomas Bernhard

An manchen Stellen – etwa in einer langen Passage, in der die Erzählerin über ihren frustrierenden Aufenthalt in Berlin erzählt – erinnert die Sprache in ihrer Verstiegenheit an Thomas Bernhard. Wen wundert es? War das Erstlingswerk der Autorin doch ein Remix der Arbeit „Gehen“ selbigen Dichters. Doch Barbi Marković' Humor ist verspielter, leichter, weniger bitter.

Die Kapitalismuskritik wird genauso in allen möglichen Facetten sichtbar wie die Tragik des Krieges und die Traurigkeit bestimmter Einzelschicksale. So wird Mascha in die Kunst der Magie ausgerechnet durch Rabija, eine wahnsinnig gewordene Rentnerin, eingeführt. Auch färbt die Demenz der Großmutter in Belgrad auf die Protagonistin ab, woraufhin bei deren Rückkehr nach Wien in einem kontinuierlichen Prozess alle Tauben tot vom Himmel fallen. „An manchen Tagen war ich so einsam, dass ich bis zu zweihundert Gramm Schokolade am Tag gegessenhabe“, gesteht die Ich-Erzählerin. Kritisiert werden aber nicht nur der Kapitalismus und die daraus resultierende Isolation, sondern auch das österreichische Fördersystem für Künstler.

Voll von verspieltem Witz und Ironie schafft es Barbi Marković, die Trostlosigkeit einer Gesellschaft zu zeichnen, ohne dabei bitter und verhärmt zu klingen. Was bleibt, ist der Wunsch nach besseren Zeiten. Ein gelungenes Buch. ■

Barbi Marković

Superheldinnen

Roman. 176 S., brosch., € 18,90 (Residenz Verlag, Wien)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.02.2016)

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