Virtuelle und reale Kriege

Michael Maier beschreibt moderne Konflikte – und wittert dabei verborgene Interessen.

Es ist eine Zeit, die viele verunsichert. Seit Jahren wird Europa voneiner Wirtschafts- und Finanzkrise geplagt. An den Rändern des Kontinents – in Syrien, im Irak und in Libyen – toben Kriege. Und die Auswirkungen dieser Konflikte sind bis ins Herzen Europas zu spüren: Denn Hunderttausende Flüchtlinge haben sich auf den Weg in die EU gemacht.

In seinem Buch „Das Ende der Behaglichkeit“ versucht der altgediente, aus Österreich stammende Journalist Michael Maier zu beleuchten, was hinter diesen prekären Entwicklungen steckt und wie sich Deutschland dagegen wappnen soll. Dabei sorgt der Herausgeber der „Deutschen Wirtschafts Nachrichten“ und ehemalige Chefredakteur von „Presse“, „Berliner Zeitung“ und „Stern“ aber nicht immer für Aufklärung. Vielmehr verfällt er mitunter in zu simple Erklärungsmuster. Die Fälle, bei denen er verborgene, mächtige Interessen im Hintergrund wittert, reichen von der Steueraffäre des einstigen FC Bayern München-Managers Uli Hoeneß über die manipulierten Abgaswerte bei VW bis hin zum Anschlag auf das französische Satire-Magazin „Charlie Hebdo“.

Maiers These: Derzeit werden weltweit mehrere Kriege geführt. Reale Kriege wie in Syrien oder der Ukraine. Ein Finanzkrieg, in dem Staaten und oft nicht identifizierbare Mächte die Werkzeuge der modernen Finanzwirtschaft als Waffen einsetzen. Der Cyberkrieg, in dem via Internet spioniert, manipuliert und attackiert wird. Und der Propagandakrieg, in dem Medien eine unrühmliche Rolle spielen: Teils, weil sie sich, so Maier, mit den Mächtigen gemein machten; teils, weil siehandwerklich schlecht seien.

In seiner Abhandlung der realen Kriege wählt er immer wieder einseitige Zugänge. So übernimmt er im Ukraine-Konflikt eins zu eins die Darstellung des Kreml: etwa, wenn er schreibt, in Kiew hätten „Rechtsradikale“ geputscht und Moskau sei deshalb im Nachbarland aktiv geworden. Er bestreitet, dass man die Übernahme der völkerrechtlich zur Ukraine gehörenden Krim durch Russland als Annexion bezeichnen könne. Und er behauptet, die Demonstranten auf dem Maidan seien „allem Anschein nach“ nicht von Sicherheitskräften, sondern von Rechtsradikalen erschossen worden – ohne dafür aber Belege vorzubringen.

Stets auf der Liste der Feinde

Auch seine Beschreibung der Lage in Syrien weist Ungenauigkeiten auf: USA und Nato würden behaupten, dass sich die al-Nusra-Front vom Terrornetzwerk al-Qaidagelöst habe, kritisiert Maier. Dabei tun das beide gar nicht. Washington stuft al-Nusra seit 2012 als Terrororganisation ein. Die USA haben Syriens Rebellen zwar Hilfe zukommen lassen, von der auch islamistische Gruppen profitierten. Al-Nusra stand aber offiziell stets auf der Liste der Feinde.

Interessant sind Maiers Schilderungen der neuen technologischen Trends. Und auch bei seinen Vorschlägen für eine Reform der EU zeigt er Kreativität. Wenn er dann aber erklärt, die EU solle sich zur Neutralität verpflichten, um nicht mehr militärisch nach der Pfeife der USA tanzen zu müssen, verfällt er in sein altes Erklärungsschema: Kriege würden von Washington angezettelt, die Europäer müssten mitmarschieren. Dabei übersieht er, dass etwa der Nato-Einsatz in Libyen 2011vor allem ein Feldzug der Franzosen und anderer europäischer Staaten war – und die USA am Ende mitmarschierten. ■

Michael Maier

Das Ende der Behaglichkeit

Wie die modernen Kriege Deutschland und Europa verändern. 288 S., geb., € 20,60 (FinanzBuch Verlag, München)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.03.2016)

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