Vier Frauen und ein Beau

Mehr Faction als Fiction: Naomi Woods Roman über die Frauen von Ernest Hemingway.

Ernest Hemingway erschoss sich 19 Tage vor seinem 62.Geburtstag in Ketchum, Idaho. Seit seinem Tod ist dieses Leben Stoff für Romane und Filme, es gibt mehr Bücher über ihn als Primärliteraturtitel von ihm; über den von seiner ersten Frau verlorenen Koffer mit Kurzgeschichten schrieb MacDonald Harris 1991 einen Bestseller, Paula McLain veröffentlichte 2011 den Roman „Madame Hemingway“ über Hadley Richardson. Die US-Amerikanerin Naomi Wood verlängert die Titelliste der Hemingway-Romane mit ihrem Debüt, „Als Hemingway mich liebte“.

Sie erzählt darin die vier Liebesgeschichten der Ehefrauen des Literaturweltstars aus den Perspektiven von Hadley Richardson, Pauline Pfeiffer, die alle Five nannten, Martha Gellhorn und Mary Welsh. Das Buch ist nach Jahreszahlen und Orten strukturiert: Mit Hadley und Five in Paris und Antibes (1926), mit Five in Key West (1938), mit Martha in Paris und Havanna (1944) und mit Mary in Ketchum, Idaho (1961).

Die mütterliche, acht Jahre ältere erste, die mondäne zweite und die ehrgeizige, als Starjournalistin erfolgreiche dritte Frau – keine konnte den berühmtesten Schriftsteller der Welt auf Dauer exklusiv an sich binden. Ernest wusste zu gut, wer er war. Seine Wirkung auf Frauen ist legendär, Hadley schwärmt: „In Paris ist er für seine Schönheit geradezu berühmt; es ist schockierend, was er sich alles erlauben kann. Sogar den Männern in ihrem Freundeskreis verschlägt es angesichts seines Aussehens die Sprache.“

Sein ganzes Leben der große Bub

Pauline (Five) leidet „neben Ernest, der mit jedem Tag jünger zu werden scheint. Wie die Frauen auf ihn fliegen! In Scharen schwirren sie um ihn herum, wie lästige Motten.“ Doch Ernest verliebt sich immer wieder in die Frau seines Lebens. Keine kann ihm widerstehen, keine kann ihm böse sein, er ist sein ganzes Leben lang der große Bub, der es sich erlauben konnte, nicht erwachsen werden zu müssen, weil er so geschrieben hat wie noch niemand vor ihm – und weil das Leben mit ihm ein Abenteuer war: Kriegsberichterstatter, Hochseefischerei, Großwildjagd, eine permanente Weltreise, zwei Flugzeugabstürze mit Todesmeldung und Wiederauferstehung, die Ehe mit Ernest Hemingway ist spannender als jedes Kino.

Naomi Wood erzählt viermal dieselbe Geschichte aus Leidenschaft, himmlischem (Liebes-)Glück, Eifersucht, Verzweiflung und Resignation. Die Ausnahme von diesem Ritual sind Martha Gellhorns Retourkutschen, doch zur Rache konnte sich keine aufraffen. Erst Mary Welsh gab ihrem Mann den Rückhalt, den er nie hatte, sie tröstete ihre Vorgängerinnen, als die Nachricht vom Tod des Nobelpreisträgers um die Welt ging.

Woods Roman ist mehr Faction als Fiction. Die Autorin sieht den WomanizerHemingway kritisch, aber sie ist begeistert von Ernest. Ihr Roman bietet gute, alte Beziehungskiste vor weltliterarischem Hintergrund. In diesem Buch steht nichts, was Hemingway-Bewunderer nicht schon irgendwo gelesen haben, doch der überaus spannende Erkenntnisgewinn besteht darin, dass auch die existenzialistische Verzweiflung Hemingways spürbar wird. Marlene Dietrich beschrieb Ernest als den „feinsten Menschen der Welt“, wir verdanken ihm mit Brett Ashley („Fiesta“) und Pilar („Wem die Stunde schlägt“) zwei der stärksten Frauengestalten der Weltliteratur. ■

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.09.2016)

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