Müller-Funk über Binet: Weder Zufall noch Unfall

Fantastische Vexierspiele: Laurent Binets „Die siebte Sprachfunktion“ nimmt den Tod des Kultursemiotikers Roland Barthes als Folie für einen postmodernen Fake-Roman. Als Gruppe der Verdächtigen dient reales historisches Personal.

Das Postfaktische hat in unseren Breiten gute Chancen, zum Unwort des Jahres zu avancieren. In der Literatur hat es schon länger Konjunktur. Das Erfolgsbuch des französischen Autors Laurent Binet, „Die siebte Sprachfunktion“, operiert spielerisch, virtuos und freihändig mit diesem Thema. Zeitpunkt des Geschehens ist das Jahr 1980, das ein Jahrzehnt des Dazwischen einläutet – nach 1968 und vor 1989. Postmoderne, Posthistoire, eine Zeit „(un)sublimierter Fantasie“, theoretischer wie praktischer Entgrenzungen.

Die 1980er-Jahre sind heute Geschichte. Bei Binet mischen sich Fakt und Fiktion auf komische Weise. Der Witz besteht nicht zuletzt darin, dass die Leserschaft weiß, dass Jacques Derrida nicht 1980 durch Killerhunde seines Kontrahenten Searle ums Leben gekommen ist. Der Roman verschlüsselt nicht und nichts; viele Figuren, vornehmlich akademische Stars, die poststrukturalistische Elite und ihre erbitterten Kontrahenten, tragen Namen, die einen unmissverständlichen Bezug zu lebenden oder auch schon verstorbenen Zeitgenossen der 1980er-Jahre haben. Kaum jemand hat daran Anstoß genommen. An einer Stelle des Buchs wird über die kulturelle Realität von erfundenen literarischen Figuren sinniert, die diese gleichsam verdoppeln. In dieser dekonstruktivistischen Verschiebung entstehen Figuren, die ihre eigenen Doubles, ihre karikierte Schatten, sind: Foucault mit Foucault.

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