Sämann, lass das Träumen!

Angst hat er keine. Er müsse sich auch nicht fürchten, hat man ihn wissen lassen: Immerhin hat ihmder König sicheres Geleit zugesagt.

Angst hat er keine. Er müsse sich auch nicht fürchten, hat man ihn wissen lassen: Immerhin hat ihmder König sicheres Geleit zugesagt. Der Weg zum Konzil scheint also frei.Dort wollen sich 6000 Kardinäle, Bischöfe und Gelehrte über den geschwächten Zustand der Kirche beraten. Deren Einigkeit soll beschworen und Ketzern der Prozess gemacht werden. Zu Letzteren zählt auch jener Theologe, der den Schutz des Königs genießt. Man hat ihm einiges vorzuwerfen. Er predigt nicht auf Lateinisch, sondern in der Volkssprache, verurteiltden sittlichen Verfall des Klerus und ruft zum Widerstand gegen päpstliche Entscheidungen auf: Was nicht Gesetz Christi sei, dagegen dürfe man opponieren, so sein Credo.

Schon 1410 hat man den aufmüpfigen Priester mit dem Kirchenbann belegt. Doch er predigte weiter, verließ Prag und widmete sich dem Abfassen seiner Schriften. Als ihn 1414 der Befehl erreicht, sich beim Konzil einzufinden, wähnt er sich unangreifbar: Immerhin bürgt der König dafür, dass er gefahrlos reisen kann. Doch kaum ist er in Konstanz eingelangt, lockt man ihn in einen Hinterhalt und inhaftiert ihn. Und selbst jetzt setzt er weiter auf seinen König und dessen Autorität.

Mit dem Machthunger des Monarchen hat er nicht gerechnet. Der nämlich hofft auf ein Ende des Schismas. In der Folge, so sein Plan, würde ihm das Wohlwollen der Konzilsfraktionen helfen, die Kaiserkrone zu erlangen. Er werde die Türe des Kerkers, in den man seinen Schützling geworfen habe, eigenhändig aufbrechen, hat er noch kurz vor seiner Ankunft in Konstanz verkündet. Als er aber spürt,wie dort die Mehrheitsverhältnisse liegen,schwenkt er um und stimmt einem Häresie-Verfahren zu. An einem der Verhöre nimmt er selbst teil und erkennt die Kompromisslosigkeit des Angeklagten: „Einen hartnäckigen Ketzer würde ich selbst anzünden und verbrennen“, hört man ihn rufen: fast schon das Todesurteil. Wenig später, und der Reformator stirbt auf demScheiterhaufen.

Doch die ersehnte Ruhe will sich nicht einstellen. Der König muss miterleben,wie die Saat des tschechischen Predigers aufgeht und seine Schriften weiter verteilt werden. Nun gilt es, ihn auf andere Weise zum Schweigen zu bringen. Ob das wirklich gelingen kann? ■


Wer traf wen? Wer war das Vorbild des Predigers? Was waren die politischen Folgen seines Todes?

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.11.2014)

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