Flipp mal wieder!

Sie waren lange verloren gegeben, doch Flipperautomaten erleben seit einigen Jahren ein Comeback. Das Geschicklichkeitsspiel mit der Silberkugel wird direkt am Gerät oder am Computer gespielt und mitunter auch als sportlicher Wettbewerb ausgetragen.

Markus Stix stellt sich vor „Banzai Run“, einen Flipper mit Motocross-Thema aus dem Jahr 1988, und nimmt seine typische Körperhaltung ein: linkes Bein nach vorn, rechtes Bein nach hinten für eine stabile Position. Der Körper wird nach vorn geneigt, die Hände ergreifen die zwei Knöpfe auf der Seite, den Blick immer auf das Spielfeld gerichtet. Der 40-jährige Steirer ist Österreichs bester Flipperspieler, er rangiert derzeit auf Platz 24 der Weltrangliste. Demnächst fährt Stix zur Weltmeisterschaft nach Schweden, auch eine Reise nach Pittsburgh im US-amerikanischen Pennsylvania steht an, wo diesen Sommer die Besten der Besten im Pinball gegeneinander antreten. Er hat gute Chancen, er kann mit internationalen Topspielern mithalten und ist das Aushängeschild der österreichischen Flipperszene.

Doch hier, im niederösterreichischen Hollabrunn, steht Stix erst einmal im Finale eines vom Flippersportverein Austria organisierten Frühlingsturniers. In der oberen Ebene einer großen, liebevoll gereinigten Scheune stehen rund ein Dutzend gut gewartete Flipper sowie einige Sitzgelegenheiten. Die eingeschworene österreichische Flippergemeinschaft ist klein, aber beständig: Mit viel Leidenschaft und Energie sowie geringfügigen finanziellen Mitteln werden vor allem in Niederösterreich sowie im Raum Graz mehrere Turniere im Jahr abgehalten, die offiziell beim internationalen Dachverband angemeldet sind und den Teilnehmern Punkte einbringen.

Wenn Turnierteilnehmer ihre Kinder, meist im Alter zwischen sechs und zwölf, mitbringen, wissen diese genau, worum es geht. So manches Naturtalent hat auf einem Stockerl stehend – damit es zum Flipper hinaufreicht – schon so manchen eingefleischten Flipperspieler aus dem Turnier geworfen. Doch abseits dieser Pinball-Kinder kennen viele Nachwachsende das Spiel mit der Silberkugel und den Flipperfingern nur vom Computer, aus der Konsole oder vom Tablet: Es gibt seit einigen Jahren Simulationen von beliebten Flipperautomaten sowie eigene Designs. Vor allem die ungarische Firma Zen Studios hat sich beim Gestalten neuer virtueller Flipper einen Namen gemacht: Mit großen Lizenzen, etwa „Star Wars“ oder Figuren aus dem Marvel-Comic-Universum, wird das über 80 Jahre alte Geschicklichkeitsspiel mit digitalen Elementen und Animationen bereichert, die bei einer echten Flippermaschine nur schwer oder gar nicht umzusetzen wären. Wenn diese neue Pinball-Generation auf die echten Maschinen trifft, staunt sie oft nicht schlecht: Denn viele Spieler haben nicht gewusst, dass es das markante Kugelspiel auch in Form großer Geräte gibt – geschweige denn, dass es dort seinen Ursprung hat.

Obwohl Flippercomputerspiele heute schon sehr ausgereift sind und die virtuelle Bewegung der Kugel der physikalischen sehr nahekommt, sind das Spiel am Computer und das Spiel an der Flippermaschine in vielen Aspekten immer noch unterschiedlich. Das liegt vor allem daran, dass das haptische Element beim Flippern – das Anfassen und Manipulieren der Automaten – als Erlebnis nicht ersetzt werden kann. Die Maschine ist zugleich Gegner und Verbündeter: Einerseits tut das Gerät einiges dafür, dass wir schnell unsere Kugel verlieren und in möglichst kurzer Zeit möglichst viele Münzen einwerfen – denn eigentlich dienen Flipper dazu, dass sie an öffentlichen Plätzen aufgestellt und mit Kleingeld gefüttert werden.

Andererseits sollte man idealerweise mit der Maschine verschmelzen, sie mit einem kräftigen Griff packen und im richtigen Moment leicht bewegen. Dieses sogenannte Nudging ist ein zentrales Spielelement für einen fortgeschrittenen Spieler. Denn neben gezielten Schüssen ist die Hauptaufgabe beim Flippern, die Kugel in brenzligen Situationen nicht zu verlieren. Dafür braucht es Erfahrung und Fingerspitzengefühl. Tricks wie etwa der Slap Save, bei dem man beim Drücken eines Flipperknopfs gleichzeitig beherzt mit der Handfläche auf den Korpus schlägt, sind wichtig, damit die Kugel nicht in der Mitte durchsaust. Kleines Stupsen und gezieltes Schütteln wiederum sorgen dafür, dass die Kugel nicht von den Außenspuren links oder rechts herunterrollt. Übertreiben sollte man es mit der Rüttelei aber nicht, denn sonst droht der legendäre Tilt, bei dem der Tisch die Flipperfinger blockiert und es auch keine Bonuspunkte gibt. Schlägt man vor Wut mit dem Knie gegen die Münztür des Tischs, wird die Strafe verschärft: Beim sogenannten Slam Tilt ist nicht nur die aktuelle Kugel verloren, sondern es wird das gesamte Spiel beendet.

Die richtige Balance zwischen beherztem Körpereinsatz und konzentriertem Spielen ist die hohe Kunst beim Flippern. Bei Turnieren kommt dazu, dass man unter Druck steht, wenn es darum geht, dass nur eine Partie mit einem von der Turniersoftware zugewiesenen Gegner entscheidet, ob man als Verlierer oder Sieger in die Folgerunde geht.

Kein Spiel für schwache Nerven

Zu viel Ehrgeiz ist beim Flippern kontraproduktiv, denn auch sehr gute Spieler können gegen Durchschnittsspieler verlieren, wenn sie die Nerven wegschmeißen oder mit der Situation nicht umgehen können. Jeder Tisch – auch zwei vom selben Modell – ist anders und spielt sich anders: Ein Schuss, der am eigenen Flipper immer funktioniert, muss nicht zwingend bei jenem Gerät funktionieren, an dem man beim Turnier spielt. Außerdem kann es immer passieren, dass man Pech hat und die Kugel unvorhergesehen ins Aus springt. Diesen geringfügigen, aber doch vorhandenen Zufallsfaktor muss man immer miteinbeziehen. Wer sich dadurch aus der Ruhe bringen lässt, hat es bei Turnieren schwer.

Auch Markus Stix ist vor Schüssen, die einfach nicht funktionieren wollen, und Durchhängern nicht gefeit. In der Flipperscheune in Hollabrunn versucht er bei „Banzai Run“ den letzten, wichtigen Schuss zum Jackpot: ohne Erfolg. Stix entschuldigt sich beim Publikum, dass es so langweilig ist. Letztendlich gelingt der Schuss, die Runde klatscht. Der Vereinsobmann des Flippersportvereins Austria übergibt ihm und einem weiteren Spieler die offiziellen Turnierdressen für die WM in Schweden.

Flippern ist kein Sport im klassischen Sinn, und es ist auch nicht irgendein Spiel. Es ist eine einzigartige Mischung aus vielen Elementen, die auf unseren Computern immer beliebter werden und die in Form der großen, bunten Maschinen immer öfter wieder in der Öffentlichkeit auftauchen. ■

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.05.2015)

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