Wohin nun also? Er hat New York satt, will nicht länger in den USA leben, doch genauso wenig in seiner Heimat Großbritannien. Europa soll es sein, beschließt er, und landet in Westberlin. Kein leichtes Pflaster für einen wie ihn, der gerade dabei ist, einen Drogenentzug durchzustehen. Und das in der „Welthauptstadt des Heroin“, wie er Berlin nennt. Er läuft durchdie Straßen, isst Steak mit Kartoffelbrei, begeistert sich für die Malerei der Expressionisten und ist mehrfach im Studio, um Songs aufzunehmen. Und er schreibt Briefe nach Frankreich. Dort wohnt eine Schauspielerin aus Berlin, die er seit Langem verehrt, inzwischen zurückgezogen und weit weg vom Rampenlicht. Auch sie hat an ihrem jungen Kollegen einen Narren gefressen: Seine Vielseitigkeit, die er auf seinen Alben und in Filmen vorführt, begeistert sie.
Eine Freundschaft entsteht – und damit auch der Wunsch der beiden, einander zu treffen. Doch dazu kommt es nicht.Bis ihnen das Schicksal eine Möglichkeit zuspielt. Die zwei sind eingeladen, aneinem Streifen mitzuwirken, der sich als Gesellschaftspanorama der Weimarer Republik gibt: Er soll einen verarmten, adeligen Leutnant darstellen, sie eine alternde Baronesse. Der Brite jubelt über das Angebot, selbst seine Briefpartnerin ist geneigt, in die Produktion einzusteigen. Unter einer Bedingung: Sie möchte nicht mehr reisen, schon gar nicht nach Deutschland. Also werden die Szenen, in denen sieeinen Auftritt hat, in Frankreich gedreht, während ihr junger Freund in Berlin vor der Kamera steht. „Unser Film sieht glänzend aus“, berichtet er ihr nach der Premiere und widerspricht damit der Ablehnung durch die Kritik.
Der Engländer hofft weiterhin auf eineChance, seiner Filmpartnerin endlich live zu begegnen. Vergeblich. Und selbst alser ihr aus dem Pariser Plaza-Hotel, das direkt gegenüber ihrer Wohnung liegt,eine Karte schickt, scheut sie das Tête-à-Tête. Stattdessen sammelt sie Zeitungsausschnitte, die den gefeierten Verwandlungskünstler in immer neuen Rollen undVerkleidungen zeigen: ein universal begabtes Genie, das seine Identitäten auslebt. Während sie in ihrem Salon festsitzt und sich weiterhin umschmeichelt fühlt: „my deepest love and respect“. – Sie starb vor 24 Jahren, er vor drei Monaten. ■
Wer traf wen? Wie hieß der Film? Welche Alben des Sängers und Komponisten wurden in Berlin aufgenommen?
("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.04.2016)