Treffer: Auch der Pudel denkt sich was

Wo bleibt er nur? Der Hausherrlässt auf sich warten. Gelegenheit, sich ein wenig umzusehen im Empfangszimmer.

Das bescheidene Mobiliar könnte ohne Weiteres auch in einer Studentenbehausung stehen – wäre da nicht links vom Sofa diese reich vergoldete Buddhastatue. Sichtlich wohlhabender Mann; geöffnet hatte übrigens eine Haushälterin. Wohlhabend eben (nota bene Junggeselle). Unterm Tisch schläft ein brauner Pudel, und das altmodische Sofa, auf dem der Besucher Platz nimmt, ist von unnachgiebiger Härte.

„Behalten Sie Platz!“, ruft da ein lebhafter Greis, das Zimmer betretend. Es ist der Hausherr. Die hohe Stirn eingerahmt von zwei eisgrauen Haarlocken; unterbuschigen Brauen blitzen die Augen sehr blau und pessimistisch. Der imposante Kopf des bald 70-Jährigen lässt seinen Körper als zu klein geraten erscheinen.

Rasch kommt das Gespräch in Fluss. Der Gastgeber kennt ein Werk des aus Wien angereisten Dramatikers, ein „bürgerliches Trauerspiel“ um eine Frauenfigur: Er nennt die „Vorrede“ überflüssig, attestiert dem Stück allerdings Kern und Wahrheit. „Sie haben da“, so der Grauschopf zu seinem Besucher, „ein Kleinbild dieser verpfuschten, nur mit Bosheit einigermaßen haltbar aufgeleimten Welt geliefert.“

Der Besucher wiederum hat erst vor Kurzem des Gastgebers jüngstes Werk – kleine philosophische Schriften, Parerga und Paralipomena – rein zufällig in die Hand bekommen. Einem Freund schrieb er nach der Lektüre: „Wenn die erste Stelle, die man bei einem unbekannten Autor liest, nachstehendermaßen lautet: ,Ich habe die Menschheit manches gelehrt, was sie nie vergessen darf; darum werden meine Schriften nicht untergehen‘ – und wenn man trotz momentanen Stutzens noch vor Abend ausruft: Der Mann hat ganz recht! – so soll das gewiss was heißen.“

Nach dem Besuch schreibt der Gast an seine Frau, eine Wiener Burgtheaterschauspielerin, über seinen Gastgeber:„Er ist als grob und unzugänglich verrufen, wie ich es selbst bin. Ich fand einen äußerst jovialen alten Herrn. Wir würden ohne Frage Freunde werden, wenn ich in Frankfurt lebte.“ Drei Jahre nach der Begegnung stirbt der joviale Alte, noch einmal drei Jahre später, 1863, sein Gast. ■


Wer traf wen? Wie heißt das Trauerspiel? Wie die Frau des Gastes?

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.06.2017)

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