Fünf Kühe für die Braut

„Expedition Europa“: von der serbisch-albanischen Liebe.

Am Beginn meines unvergesslichen Jugowesterns stand eine merkwürdige Information: Obwohl Serben und Albaner als Erzfeinde gelten, haben Hunderte serbische Bauern im südserbischen Sandschak katholische Albanerinnen geheiratet. Ich fuhr auf das Hochland Pešter, auf dem diese serbisch-orthodoxen Kuhhirten noch ausharren. In den Gegenden drum herum Muslime. Die jungen Serbinnen fliehen in die Stadt. Ich mal schauen, ob die serbisch-albanischen Ehen wirklich so win-win.

Auf dem Pešter angekommen, umfängt mich die Stille des mehr als 1000 Meter hoch gelegenen Weidelands. Sanft gewellt, fast baumlos, kühl. Im Dorf Štavalj der holzgetäfelte Saloon der Kaschemme „Divna“. In einer Mehrbettkammer wie aus Titos Feldlazarett werde ich slibowitzselig schlafen. Wirt Mirko – um die 50, beleibt und mit sinistrem Schalk im Blick – hat ein Mampfi gegen Zeugungsunfähigkeit entwickelt. Das soll ich meinen Lesern ausrichten. Vorerst heilt sich Mirko selber. Über die albanischen Bräute sagt er: „Die sind wie aus dem 16. Jahrhundert.“

Eine Schar frecher Kinder führt mich zu einer albanischen Jungbäuerin. Marta ist hübsch, blond, herzlich, mit Klugheit im Blick. Sie lebt seit sieben Jahren in Štavalj, wie 20 andere Albanerinnen. Am Rockzipfel hängen drei wohlgeratene Kinderlein. Der Jungbauer misstraut mir anfangs, das bosnische Fernsehen war auch schon da und hat ihn ums zugesagte Honorar beschissen. Marta achtet darauf, nie vor ihrem Mann zu antworten. Ich frage ihn: „Stimmt es, dass Albanerinnen so arbeitsam sind?“ Er bestätigt und fügt hinzu: „Ich habe aber auch sieben Kühe für sie bezahlt.“

Zahnlücken statt Goldzähnen

Im nächsten Moment bricht das Glück über mich herein: Noch am selben Abenderwartet Štavalj die Ankunft einer neuen Braut aus Albanien. Man führt mich in einen kleinen Kellerraum, gefüllt mit Männern. Bescheidene Kerle, mit Zahnlücken statt Goldzähnen. Sie singen, gießen mir nach dem kleinsten Schluck ein. Keiner, nicht einmal der hagere Altbauer, hat die Braut je gesehen. „In zehn Minuten kommt sie“, heißt es; der Bräutigam habe sie schon auf der Tankstelle von Sjenica in Empfang genommen.

Dann werde ich Zeuge. Ein Kleinwagen mit serbischer Fahne knarrt hupend die Böschung hinauf, wieder herunter. Die Braut, 21, einfaches Kleid und eng taillierte Lederjacke, steigt aus. Später sitzt die Braut am Kopf der Tafel, senkt betreten den Blick. Fünf Kühe, höre ich. Wie die Braut heißt, das hat sich noch keiner gefragt. Aha, noch eine Marta. Der angegraute Bräutigam, etwas linkisch, kann nur über die „Übersetzerin“ mit der Zukünftigen reden. Ein Tablett mit prächtigem Apfel geht durch, alle geben Geld für das Brautpaar. Ein bulliger Typ, der zuvor an die Decke geschossen hat, legt 500 Euro drauf. Am Ende sortiert die Kupplerin das Geld in Dinar und Euro, zählt. Niemand strahlt seliger als sie.

Ich fahre nach Albanien, 300 Kilometer, in das Dorf von Marta 1. Ich komme im Dunkeln in Torovicë an. Ein langes Dorf, ein paar Plattenbauten in der Mitte. Im Café versammelt sich eine Runde Männer um mich. Der Teenager Adolf kann Englisch, sein Vater Serbisch, der Inhaber Deutsch. Am Tisch ein Cousin von Marta 1, meine Frage nach der Mitgift will aber niemand übersetzen. „Das würde ihn beleidigen, und es ist auch nicht wahr, nur der Kuppler bekommt 1000 Euro.“ Der Inhaber erklärt: „Wir schicken nur die Hässlichen nach Serbien – oder solche, die schon mit Männern im Bett waren.“ Ich protestiere. Er sieht mich groß an: „Was hast du eigentlich für ein Verhältnis zu Marta?“ Ich wehre erschrocken ab. Nun ja, manchem wird mein Jugowestern unromantisch erscheinen. Ich persönlich finde diese Ehen gut. ■

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.04.2014)

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