Was heißt schon „schön“?

(c) EPA (William West)
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1908: Adolf Loos publiziert „Ornament und Verbrechen“ und glaubt, damit den Schlüssel für eine gereinigte Kunst und Gesellschaft gefunden zu haben. 100 Jahre danach: zum Stand der ornamentalen Dinge.

Ornament und Verbrechen“. Exakt hundert Jahre ist es her. Damals wurde die Schrift mit jenem Titel publiziert. Sie diente zunächst auch zur schlicht-brutalen Vorbereitung für das Wiener Innenstadtpublikum. Es war außerdem das Sich-selbst-Mut-Machen vor der Gestaltung eines sofort eine Menge an Leuten verstörenden Baues („Mein erstes haus! Ein haus überhaupt!“). Und es war zudem seine vorweg formulierte, ideologisch fundierte Ästhetik. Adolf Loos meinte, mit dieser Schrift den Schlüssel für eine kommende und gereinigte Kunst und Gesellschaft gefunden zu haben. Er erhoffte sich solchermaßen beinahe eine Revolution. Vor allem eine innerhalb der und durch die Eliten. Eine Neudurchdringung des von Kunst und Praxis gestalteten Lebens.

Er scheiterte, mit der Schrift, nicht mit seinem Bauen, als Theoretiker und als selbst ernannter Hohepriester der Ästhetik. Oder nicht?

Denn was heute doch noch übrig geblieben ist, was eintrat, das verblüfft, immer noch, manchmal, immer öfter.

Loos spricht von Ornament und Verbrechen. Er sagt nicht: Das Ornament ist per se ein Verbrechen; sondern: Das Ornament und das Verbrechen gehen Hand in Hand. Adolf Loos war damals ein gern sich selbst bespiegelndes Enfant terrible in Wien, noch nicht 38 Jahre alt und überhaupt kein breit anerkannter Avantgardist. Ein Außenseiter, der mehr durch Artikel und feine, teure Einrichtungen auffiel. Aus Brünn stammte er, diesem wunderbaren Minimundus zwischen Gotik, Renaissance, Barock, Ringstraßenglück und protziger Jahrhundertwende. In den USA hatte er als junger Mann gelebt – auf der Suche nach der Erfüllung im amerikanischen Traum. Zurück kehrte er als Wissender und als Dandy, aber mit Ideen, Erfahrungen, Provokationen. Was er nun vor allem machte, war bewusst gesetzte Entgegnung: Er sprang der Sezession und den Auswüchsen der Wiener Werkstätte ebenso ins Gesicht wie dem Pracht-Liebhaben der allerspätesten Gründerzeit und einer sich aus all dem herausschälenden, rasch gleich wieder alt werdenden Jugendstilbewegung. Adolf Loos war zudem schwerhörig. Eine Körperbehinderung, die ihn anderwärtig nur noch aufmerksamer machte? Übrigens, Engagements für Frauenemanzipation und Kid-Porno-Prozesse gegen ihn gab's später auch.

1908 – er, Loos, bisher vor allem Wohnungsdesigner und Autor, setzt als Architekt an, mit dem Haus am Michaelerplatz Bauweltgeschichte zu machen („Das Haus ohne Augenbrauen“, so schmucklos neu und daher so „scheußlich“, dass sich der alte Franz Josef angeblich die letzten Lebensjahre hindurch weigerte, aus seiner Hofburg-Wohnung hinüberzuschauen).

1908 – sonst. Mahler ist schon aus Wien abserviert; Schönberg, in privaten und kreativen Krisen, reizt in der Ersten Kammersymphonie und im Zweiten Streichquartett die orthodoxe Tonalität aus und schießt bewusst provozierend über sie hinaus; Webern driftet aus der Riesenromantik in den abstrahierenden Minimalismus (Klee und Malewitsch beginnen Ähnliches, Picasso den Kubismus); Schnitzler veröffentlicht den „Weg ins Freie“; Freud hat bereits seine „Abhandlungen zur Sexualtheorie“ herausgebracht; Strauss steht zwischen „Salome“ und „Elektra“; Steiner kodifiziert die Antroposophie und, und, und.

Die vergleichsweise schmale Schrift (kaum ein Dutzend an Druckseiten) namens „Ornament und Verbrechen“ ist bis heute, zu ihrem 100. Geburtstag, vor allem durch ihre originelle Überschrift bekannt geblieben. Sonst ist „Ornament und Verbrechen“ jetzt noch als aufsässiges Internetforum präsent und vor allem als Musikgruppe des Blixa Bargeld von den (wie hübsch-bezeichnend) „Einstürzenden Neubauten“.

Und es wäre also dieses knappe Loos-Pamphlet sowieso nicht viel mehr als eine bezeichnende Sache innerhalb der vielen Kunsttheorien vor dem Ersten Weltkrieg, ein bisschen prophetisch, ein bisschen zornig, ein bisschen imperialistisch-übertreibend – wenn, ja wenn nicht doch ein paar Sachen drinnen stünden, die, im Spiegel von Bauten und Musik hundert Jahre später, auffallend oder gar verblüffend genannt werden können. Doch der Reihe nach. Denn was steht eigentlich drinnen?

Loos legt sofort los. Er argumentiert auf der Höhe seiner Zeit und mit der selbstsicheren Brutalität der Mitteleuropäer, geht von Evolutionstheorien aus, vergleicht die Handlungen und quasi das Styling der „Wilden“ (vor allem beispielgebend der Menschen aus Papua) mit jenen der „Zivilisierten“ (also von Menschen wie ihm und den von ihm Akzeptierten), wird historisch (er fährt al fresco über die Menschheitsentwicklung seit der Antike über das Mittelalter bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts drüber) und nimmt seine härteren Vergleichsbeispiele doch nur aus seiner Gegenwart. Der erste uns entgegengeschleuderte, zusammenfassende Satz lautet: „Evolution der kultur ist gleichbedeutend mit dem entfernen des ornamentes aus dem gebrauchsgegenstande.“

Und er argumentiert: Primitive (also die „Wilden“ und die Kinder und die Frühen) sind amoralisch (im Sinne der Hochkultur eines Adolf Loos). Sie bestehen aus dem inneren Drang, alles ornamental zu verkleiden und damit zu verschönern. Die Entwicklung des Menschen (kulturell und künstlerisch) ist aber gerade die Überwindung dessen. Allein, Loos argumentiert noch weiter. Die Menschen seiner Zeit nämlich, die sich vom Körper-Ornamentalen (Alltagsauszier und Tätowierung vor allem) nicht lösen könnten, würden – stürben sie nicht zuvor – sicher zu Verbrechern, schließlich zu Mördern. Punkt!

Und nun steht er selbst verunsichert da. „Die menschheit keucht weiter in der sklaverei des ornaments.“ – „Die ornament-suche ist staatlich anerkannt und wird mit staatsgeldern subventioniert. Ich aber erblicke darin einen rückschritt.“ – „Das ornament wird nicht nur von verbrechern erzeugt, es begeht ein verbrechen, dadurch, dass es den menschen schwer an der gesundheit, am nationalvermögen und also in seiner kulturellen entwicklung schädigt.“ Fassungslos wird er aber bald darüber, ja doch selber in einer Epoche von „ungeheurem schaden und der verwüstungen, die die neuerweckung des ornamentes anrichtet“, leben zu müssen.

Es ist: Loos contra Sezession, Loos contra Behübschungen im Bau- und Gebrauchsstil, Loos contra all das, was wir heute generell einen Jugendstil nennen – und an dem wir uns wieder bedienen (und das sowieso zumeist im verkennenden und verludernden Eklektizismus, also im schlechten Ornament – denken wir bloß, in der Zier seit den 1970ern, an Styling, Möbel, Bepinselungen, Stadtbeschönungen und Plastiksackerl-Aufdrucke; von „Stilepochen“ wie dem „Fantastischen Realismus“ erst gar nicht zu sprechen).

Loos fordert Wege, wie sie Schönberg, Kandinsky, Malewitsch oder Webern konsequent beschritten. Allein, er geht sie nicht immer auch selbst und konsequent (er kann das vielleicht gar nicht).

Die Schrift verläuft sich dann ein wenig, wie viele ähnliche Pamphlete, in speziell zur eigenen Beweisführung ausgesuchten Beispielketten. Loos beklagt „vergeudete arbeitskraft und dadurch vergeudete gesundheit“, „die pathologische erscheinung moderner ornamentiker“ (er meint damit so ziemlich alle einschlägigen Zeitgenossen zwischen Van de Velde und Olbrich). Er bringt hübsche Bilder („der gschnas im künstlerhaus“) oder gewagte Vergleiche („die symphonien Beethovens wären nie von einem Manne geschrieben worden, der in seide, samt und spitzen daher gehen musste“). Und er verquickt in seinen Beweisketten gern Ornament-Gestalter in toto („den kaffer, den perser, die slowakische bäuerin“), lässt wenige Vorgänger gelten (Kornhäusel zum Beispiel) und meint über die Gestaltung alltäglicher Dinge (Schuhe, Zigarettenetuis, Decken), dass man da nur mehr unter „der tyrannei der ornamentiker schmachten“ müsse.

Der, bald und dann später oft kritisierte Aufsatz (was wiederum ziemlich brutale und humorlose Repliken des Autors nach sich zog) endet hoffnungsvoll und etwas offen. „Das fehlen des ornamentes hat die übrigen künste zu ungeahnter höhe gebracht.“ (Loos meint damit vor allem die Musik, zum Teil auch die nordamerikanische Hochhausarchitektur.) „Wir sind feiner, subtiler geworden. Ornamentlosigkeit ist ein zeichen geistiger kraft. Der moderne mensch verwendet die ornamente früherer und fremder kulturen nach seinem gutdünken. Seine eigene erfindung konzertriert er auf andere dinge.“ Immerhin, so ließe sich jetzt sagen, Adolf Loos hat manche Stränge, die bis heute wirksam, ja prägend sind, nicht unprophetisch erkannt.

Stichworte: Global Village inklusive Globalisierung an sich; Stichwort: Stilmischmasch; Stichwort: Weltmusik.

Schauen wir nur hin. Der neue (seit beinahe schon hundert Jahren neue) kommunale Wohnbau (in Wien ebenso wie in Kalkutta oder Mexiko), die realsozialistischen Plattenbauten und die Hochhausausschüttungen (von Paris-West über Buenos Aires bis Peking), sie alle tragen kein altes Ornament. Das kommt erstens billiger, ist zweitens zweckentsprechend und drittens quasi sowieso wieder einiges vertuschend (die Glasfassaden, die Verstrebungen oder die Spiegelungen, sind sie nicht doch und abermals „nutzlose“ Zier?). Was Loos als revolutionäre Innenraumgestaltung verstanden und postuliert hat, vor dem er aber auch warnte („Der moderne mensch verwendet die ornamente früherer und fremder kulturen nach seinem gutdünken“), erlebte seitdem mehrere Schübe auch im Konträren und ist heute im weiten westlichen Bereich glatte Funktionalität mit bewusst durcheinandergewürfelten oder nur mehr aufgesetzten „ornamenten früherer und fremder kulturen“. Betreten wir doch bloß jede zweite private Heimstätte, lesen wir in Schöner-Wohnen-Katalogen, oder schauen wir nur in die Einrichtungen der Massen an Seifenopern oder Sitcoms im Fernsehen.

Oder hören wir hin: Dem bestehenden Manko an neuen Musikideen nach der Hochblüte der Popmusik begegnet man, gefördert durch die in digitaler Form praktische Verfügbarkeit mehr oder weniger aller existierender Musik, mit einem jegliche ihrer Ingredienzien nivellierenden Weltmusik-Mixup. „Ornament und Moderne“ ist vielfach, im Loos-Sinne, vielleicht nicht zum wüsten Verbrechen, aber vielleicht doch zu „Ornament und Kleinkriminalität“ geworden.

Loos verwendet allerdings, in seinem Text an zentralen Stellen platziert, den brandgefährlichen, von ihm zudem noch ziemlich unreflektiert gebrauchten Begriff „schön“. Nun, die Revolution der Sittenwächter angeblicher Kunstsinnlichkeiten in den 1970er- und 1980er-Jahren kam zum Beispiel und ebenso blind gesetzt aus diesem salopp und vor allem falsch gesetzten Begriff. Vielleicht erinnern wir uns noch? Vor gut 30 Jahren? Der Aufstand gegen Formales, Massenbau, Abstraktes et cetera, er geschah weltweit, er hatte schlimme Folgen ab der Post-Hippie- und Post-„Sergeant-Pepper“-Zeit (in Wien damals von Möchtergern-Gurus wie Jörg Mauthe und Günther Nenning in putziger Zweisamkeit vorformuliert), und er geschah aus einem genauso desiderat, aber unreflektiert vorgetragenen Postulat nach „Schönheit“, hinter welchem sich nichts anderes als eine Sehnsucht nach vielen frisch-alten Ornamenten und massenweisen Alltags-Behübschungen verbarg. Eine Gartenzwergkunst (zum Glück oft doch nicht ganz flächendeckend) war die Folge.

Allein. Ruhe, Gelassenheit und Geduld jetzt. Die Globalisierung hätte, zumindest im Innenraum-Wohnstil und im Massenbau, noch weit schlimmer ausfallen können. Die Ursachen, warum Adolf Loos, in dieser Schrift doch vor allem seine anstehenden und kommenden Bauten theoretisch vorbereitend, vor einhundert Jahren das Double „Ornament und Verbrechen“ hervorgebracht hat, haben sich für uns vielfach verschoben – quantitativ jedenfalls. Qualitativ hingegen oft nur wenig. Es kam (nach den die Gesellschaftsentwicklungen und die Globalisierung rasant beschleunigenden Weltkriegen) der Konsum als ein den Alltag neu bestimmender und die politischen Ideologien ablösender Faktor hinzu: eine frische Macht der Masse.

Und doch, Loos formulierte mit seinen dann für ihn doch nur noch „verbrecherischen Ornamenten“ auch für den größten heutigen Unterhaltungszweig Wesentliches. Es geht um die Entwicklung von Musik per se, des Musikalischen, von Musik als neuem menschlichem Grundbedürfnis in Form von permanent abruf- und hineinfressbarer Konsumware, es geht um Musik als einen Geschäftszweig weltweit, der sich dem Umsatz nach dem billionenschweren Energie-Sektor anzunähern beginnt. Und zwar: als Feierstunde des ornamentalen Endsieges (um in einer politisierend-konsumgeil orientierten Mischsprache zu verweilen).

Das Wesen der meisten neuen oder neu zusammengebastelten Musik ist Repetition des/eines Ornaments. Wir denken vielleicht sofort an Rap und Hip-Hop, doch bald auch an Disco-Fast-Food und den Kitsch aus der untersten Lade der volkstümlichen Musik. Ans Kaufhaus und ans angeblich feine Restaurant sodann. Es geht nicht mehr um die zum Klingen gebrachte Darstellung eines Verlaufes, nicht um Musik als sich aus sich selbst fortsetzendem Bau dialektisch sich scheinbar widersprechender Gedanken samt endlicher Aufhebung ineinander, nicht um tönend bewegte Form, nicht um Entwicklungen in den Meisterschaften der kleinsten Übergänge, nicht um hörbar gemachte philosophische Ideenwelten, sich selbst beweisende und damit fortlaufende Strukturen oder schlichte transzendentale Dialektik – und wie die Ästhetik der vergangenen vielen hundert Jahren die Unendlichkeit alles Musikalischen – es umkreisend – zum Ausdruck zu bringen versucht hat. Es geht darum, dass Musik im 20. und 21. Jahrhundert in riesigem Umfang zur Repetitionsfläche von Abspaltungen, von oft winzigen ornamentalen Teilen geworden ist. Das kleinste, nichtssagende und oft hässlich verkümmerte Grundelement (zumeist eine schlichte, herkömmlich und allzu oft primitiv gesetzte Kadenz) wird in ornamentaler Massenhaltung zur beliebigen Landschaft ohne Zaun.

Nichts ist selbstverständlich neu auch hier. Natürlich war Musik immer schon und auch ein weiter gestricktes Ornament. Aber bereits (und nur) aus dem Modalen des Mittelalters entwickelte sich die Isorhythmik, die Basis für jenen verbleibenden und verbliebenen Intellekt in der – die Welt heute prägenden – europäischen Musik. Barocke Repetitionen von Ornamentfloskeln bekamen als Sonatenstrukturen neue Qualität. Selbst Ornament-Zellen wie die Leitmotive Wagners erschöpfen sich irgendwann und gestalten dennoch, trotz steter und bald penetranter Verwendung, etwas anderes, Neues, Übergeordnetes. Und von der Minimal Music als einer sich selbst auch wiederum aufhebenden Parodie auf so etwas wie „Ornament und Verbrechen“ reden wir anderswo.

Eine wirklich aktuelle (und notwendige, erwartete und doch und nicht und nicht formulierte) frische Philosophie der „Neuen Musik“ wäre zunächst eine über den neuen Wert, den Mehrwert des Ornamentalen zuungunsten jeglicher sonstiger breiter angelegter oder überhaupt interessierender Reflexionsmöglichkeiten.

Aber? Na und? Man reagiert 2008 jedenfalls auf das alles nicht so wütend wie Adolf Loos auf seinen aktuellen Firlefanz, sondern konsumiert ihn in einer Masse, wie man das dem Faktor Musik noch vor – sagen wir – einem Vierteljahrhundert nie auch nur im Entferntesten zugetraut hätte.

Drei lustige Randerscheinungen noch. Sigmund Freud arbeitete bald nach den Verdikten und dem Bauen des Adolf Loos, 1912/1913, an seinem, ebenfalls eher grenz-korrekten Buch „Totem und Tabu – Einige Übereinstimmungen im Seelenleben der Wilden und der Neurotiker“. Und Freud argumentiert (wenn auch mit anderen inhaltlichen Vorgaben und Zielen) ähnlich (selbstsicher europäisch-imperialistisch) wie Loos. Ein engerer Vergleich der beiden Schriften wäre aufregend.

Loos gestaltete ein paar Jahre vor seiner Schrift und dem Michaelerplatz-Haus das Innere im Café Museum am Rand des Wiener Karlsplatzes neu. Es war bald ein Ort für das Denken im Neuen, ein Angebot zur Überwindung des Fin-de-siècle-Barocks, es war eben dieses „Café Nihilismus“, in das sich – bezeichnend – etwa die Träger der „Neuen Musik“ von Wien nach den Skandalkonzerten kurz vor dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs zu flüchten pflegten.

Heute sieht es dort aus wie die Material gewordene Drohung des Adolf Loos zwischen ornamentaler Belästigung und Verweigerung permanenter Aufklärung und Zeitkritik.

Drum – flüchten wir doch rasch aus dem verschandelten Etablissement Schutz suchend wieder zum Michaeler-Haus retour. Davor räkelt sich zwar eine postmoderne Platzgestaltung von Architekten, die (in der Diktion von Meister Loos) über Gefälligkeits-Gschnas nicht hinausgekommen sind. Oben aber, unter den augenbrauenlosen Fenstern, winken abermals als lieber Schmuck die gewohnt gewordenen und sicher zum Beruhigen hingehängten, vollen Blumenkisten. Es sieht aus wie im Musikantenstadelwettbewerbskatalog für die hübschesten und zierlichsten Balkonblumenmassen-Provinzdörfer zwischen Tirol, Salzburg und Kärnten.

Was ist denn (dort und anderswo) doch noch/wieder Ornament, was Verbrechen, was Sein und Zeit?

Und draußen rennen junge Menschen und viele, die es noch sein wollen, vorbei. In ihren Körpern stecken Eisenstückchen und sonstige Piercing-Utensilien, viel ist auf Waden, Schultern, Dekolletés tattooisiert oder bloß draufgepinselt worden. Lauter heranwachsende Mörderinnen und Mörder? ■

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.07.2008)

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