Die Hafteln der Kindheit

(c) Wolfgang Freitag
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Jeder kennt die Rückblicke, die uns vom Kindsein in den Roaring Sixties erzählen, von „Flipper“, Fernsehkasperl und Bensdorp-Tafeln um einen Schilling. Oder von Winnetou-Filmen und Klick-Klack-Kugeln. Aber war da nicht noch etwas ganz anderes?

Ruhe über allen Rosenrabatten. Über den Hortensien der Vorgärten und den Staudenbeeten. Über allen Rollläden vor den Fenstern und den Bewegungsmeldern für die Lichter über der Tür. Über Wirtschaftswegen, Gartenschuppen, Betongussfiguren. Eine Ruhe, gegen die nicht einmal die Hunde anzubellen wagen. Nur da und dort krächzt eine Krähe, gurrt eine Taube, als sei ihnen in dieser Stille bang. Eine Stille, durchbrochen einzig, wenn der Wind von der Autobahn her den Lärm der Stadt über die Häuserzeilen weht.

Ruhe herrscht in dem riesigen Reihenhausquartier aus den Zwanzigerjahren, seit ich mich erinnern kann. Also mittlerweile mehr als ein halbes Jahrhundert lang. Und wahrscheinlich herrschte Ruhe vom ersten Tag an. Es ist die Ruhe einer städtischen Dörflichkeit, in der alles offen zutage liegt und doch hinter jeder Haustür ein Geheimnis zu warten scheint. Eine Ruhe, in der in handtuchgroßen Siedlergärten zwischen Thujenhecken und Grillrosten genauso viele Vorurteile wuchern wie in den distinguierteren Vierteln der Stadt, nur dass sie hier ein wenig unmittelbarer daherkommen als dort, wo das feine Tuch gesellschaftlicher Gehobenheit die Abgründe diskret camoufliert. Eine Ruhe, die alles durchdringt wie ein lautloser Ruf nach Rückzug, Geborgenheit, Fürsichsein in einem Umfeld, wo schon allein aufgrund der Dichte des Nebeneinanders ein Fürsichsein überhaupt nicht möglich ist.

So spielt man dieses Fürsichsein, bis man selber dran glaubt, bis man den Nachbarn, den man, drei Meter weiter den Rasen mähend, eben erst gegrüßt hat, plötzlich nicht mehr sieht. Als wär er gar nicht da. Und redet, als stünd man hinter Mauern. Jenes So-tun-als-ob, das man von Kinderspielen kennt. Oder aus dem Theater. Eine Reihenhaussiedlung an der Wiener Peripherie als Bühne des Lebens. Eine Bühne, auf der mir von Kindertagen an jeder Auf- und Abtritt wohlvertraut ist. Wiewohl das Ensemble des Öfteren gewechselt hat. Doch der Geist dieser Bühne hat sich noch jedem nachhaltig mitgeteilt, woher er auch immer gekommen sein mag.

Drei Jahrzehnte lang habe ich sie nur mehr hie und da, als Gast meiner Eltern, besucht. Vor zwei Jahren bin ich zurückgekehrt. Zurückgekehrt dorthin, wo ich aufgewachsen bin. Die Eltern waren gestorben, das Haus mir zugefallen. Bloß Rückkehr – oder womöglich eine Bekehrung?


„Du willst wirklich wieder im Haus deiner Kindheit wohnen?“ Immer diese Fragen von Freunden, von Verwandten. Immer diese irritierte Besorgnis in der Stimme. Als sei Kindheit etwas, vor dem man sich fürchten muss. Oder ein schöner Traum, den man sich nicht zerstören soll. Jedenfalls etwas, dem man nur tief befangen gegenüberstehen kann. Etwas von derart übermächtiger Bedeutung, dass man sich ihm quasi leibhaftig und ganz und gar körperlich nicht ohne gebotene Vorsicht aussetzen darf, als müsse man sie vor sich selbst oder sich selbst vor ihr schützen wie vor allem anderen, was das Wissen um uns so mit sich bringt. Aber was bleibt denn wirklich von all dem, was den einen Quell ihrer Träume, anderen Quell aller Traumata ist?

Jeder von uns kennt die privaten Rückblicke, nicht selten Sentiment-gesättigt, die uns vom Kindsein erzählen, und das heißt in meinem Fall von einem Kindsein in den Sechzigerjahren, also von „Flipper“, Fernsehkasperl und Bensdorp-Tafeln um einen Schilling. Oder von Winnetou und Klick-Klack-Kugeln. Oder von den Beatles, „Bonanza“ und Tipp-Kick. Stimmt alles. Und doch, andererseits, war da nicht noch etwas ganz anderes?

Etwa die Familie im Haus nebenan, zu zehnt auf den gleichen 60 Quadratmetern Wohnfläche zusammengedrängt, die wir – nur – zu fünft teilen mussten. 22 Quadratmeter Wohnfläche pro Kopf seien den Wiener Familien 1961 im Durchschnitt zur Verfügung gestanden. Behauptet das Statistische Jahrbuch der Stadt. Ich weiß nicht, wer wo diesen Durchschnitt erreicht, wer ihn wo gar übertroffen hätte, niemand irgendwo in meiner Siedlung, so viel scheint mir jedenfalls gewiss.

Dass heute auch hier keinem, der es sich irgendwie leisten kann, dieselben 60 Quadratmeter genug sind, und sei es bloß zu zweit oder – wie bei mir – zu dritt, versteht sich von selbst. Rundum wird um- und aus- und zugebaut, was Bauordnung und die siedlungseigenen Regelungen nur immer hergeben. Freilich, für viel mehr als wohnraummäßiges Mittelmaß reicht es noch immer nicht: Das nämlich liegt mittlerweile bei knapp 40 Quadratmetern pro Kopf. So luxuriös kann's in so einer Siedlung gar nicht hergehen, dass der Luxus andernorts dem Siedlerluxus nicht längst davongelaufen wäre.

Freilich: Was heißt schon Luxus? Wie hoch, nur so um Beispiel, ist in Quadratmetern zu veranschlagen, dass ich, wo immer ich ins Freie trete, den Himmel sehe? Nicht durch einen schmalen Schlitz, den eine Häuserschlucht grade noch freigibt, nein, breit und weit und in alle Richtungen?

So beengt es in den Puppenstuben dieser Häuser auch gewesen sein mag (und heute da und dort noch immer ist): Wenn schon nicht in, so doch über allen Köpfen herrschte und herrscht eine Freiheit, der ich selbst erst als Rückkehrer gewahr wurde. Vielleicht deshalb, weil man manches eben erst bemerkt, wenn's längere Zeit nicht zu haben war.


Die Bilanzen, die wir über unsere Lebensjahrzehnte ziehen, die weisen allzu häufig viel Verlust und kaum Gewinne aus. War denn der Himmel ehedem nicht blauer, die Luft nicht lauer, ja selbst die saure Milch der Kindheit nicht viel wohlschmeckender sauer? Auf dem kleinen Platz, der sich unweit meines Hauses mitten in der Siedlung öffnet, was war das damals doch für ein geschäftiges Treiben. Unter den Betonarkaden, halb verdeckt und doch so präsent wie weniges, Frau Kraft mit ihrem Milchgeschäft; ein paar Schritte weiter Frau Krückls Drogerie mit dieser unverwechselbaren Mischung aus Terpentin, Waschpulver und Kölnisch Wasser in der Luft; an der Ecke Herrn Kaspars Nähzugehör; gegenüber Frau Hofbauers Papierhandlung, die uns mit Schulheften geradeso wie mit kleinen Süßigkeiten für lange Schultage versorgte; ein Fleischer noch, dessen Name mir längst entfallen ist; dazu zwei Friseure; und unübersehbar mittendrin die „Konsum“-Filiale, die hier, im sozialdemokratischen Kernland, wie ein Handelskönig über allem thronte.

Überlebt haben einzig die Friseure, die übrigen Geschäftsflächen teilen sich Fußpfleger und ein sogenannter Nahversorger, der nur mit Mühe imstande scheint, sich selber zu versorgen. Und nach dem „Konsum“ hat sich mittlerweile auch die Sozialdemokratie aus dem Revier verabschiedet: Die jüngsten Gemeinderatswahlen wiesen in fast allen Siedlersprengeln Mehrheiten für jene Partei aus, die den Siedlern der Sechzigerjahre einzig als seltsamer Exot auf Stimmzetteln begegnete. Geschichte: ein Verlustgeschäft?

Sicher, die Erinnerung, auf die ist ja nicht immer so Verlass, wie wir's gern meinen möchten. Und war da nicht auch der eine oder andere Verlust, der als Gewinn zu buchen wäre? Wie war das gleich mit dem Paragrafen 145 des guten, schon damals gut 150 Jahre alten Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuchs? „Die Eltern sind befugt, unsittliche, ungehorsame oder die häusliche Ordnung und Ruhe störende Kinder auf eine nicht übertriebene und ihrer Gesundheit unschädliche Art zu züchtigen.“ Das taten sie denn allzu oft, die Eltern der Sechzigerjahre, nicht nur, aber auch in meiner Siedlung. Und ob die Watschen so verstandener gediegener Erziehung, die durch die Siedlungsruhe allzeit sicher nur ganz leise flogen, denn tatsächlich „nicht übertrieben“ waren oder auch „unschädlich“ blieben, ist eine Frage, die jeder, den es betrifft, heute für sich selbst beantworten kann.

Wenn wir jedenfalls von jenem Damals reden, dann reden wir nicht selten von einer Kindheit, der Kochlöffel nicht nur als Hilfsgerät zur Speisenzubereitung und Teppichklopfer nicht nur als Reinigungsbehelf zur Säuberung von Bodenbelägen geläufig waren. Im Übrigen bestand das Züchtigungsrecht der Eltern bis tief ins anschließende Jahrzehnt, genau bis 1977 weiter – und bis zu einem Gewaltverbot in der Erziehung dauerte es sogar weitere zwölf Jahre.

Nachdenklich muss uns heute stimmen, dass gar nicht so wenige der Prügeleltern von ehedem glaubten, genau das Richtige zu tun, wo es doch außerdem gesetzlich so und nicht anders legitimiert war. Und ist es nicht heute so, dass wir, längst selber Eltern oder Großeltern gar, wenngleich, wie wir meinen, ganz andere als unsere eigenen, genau dasselbe glauben? Wie viele unserer Richtigkeiten werden sich teils früher, teils später als falsch erwiesen haben? Worüber werden unsere Kinder, unsere Enkel zu Recht empört die Köpfe schütteln und fragen: Wie konntet ihr nur?


Die große Schachtel voller Terpentinseife.Ein Fundstück vom Dachboden, aufgespürt bei der Räumung des Hauses, bevor der Umbau begonnen werden konnte. Wie der Herrenhut mit den Wandernadeln. Die weißen Zwirnknöpfe. Das Päckchen Wiener Hafteln. Der Karton voller Korken. Strandgut der eigenen Vergangenheit, das Reminiszenzen wachruft. Die Mutter, über die Badewanne gebeugt, wie sie die Terpentinseife ins Wasser hobelt, später, den Wäschestampfer in der Hand – ja, auch der hat sich in die Gegenwart gerettet –, die Schmutzwäsche durcharbeitet; denn Waschmaschine gibt's noch keine, nur eine Wäschezentrifuge, die, stets unbeschwert durchs Badezimmer hopsend, Wäsche von Waschwasser scheidet. Die sommerlichen Wanderurlaube irgendwo im Alpinen, Zimmer mit Frühstück, nicht zu vergessen Kalt- und Warmfließwasser, äußerster touristischer Komfort des kleinen Mannes. Das Überziehen der frischen Bettwäsche, die noch keine Zippverschlüsse, nur eben Zwirnknöpfe kennt. Das mühsame Ablegen von Büstenhaltern, Miedern, Röcken, Dirndlkleidern, deren Hafteln sich wieder einmal verhakt haben.

Nur zu den Korken will mir nichts einfallen. Wozu Korken? Wozu die Mostwaage, Fachinventar der Weinerzeugung? Verirrte Reste aus dem Weinhandel meines Großvaters? Aufgehoben wurde ja alles und weggeworfen nichts, denn wenn nicht heute, so würde man es vielleicht schon morgen ganz dringend brauchen, und wenn nicht morgen, so doch wahrscheinlich übermorgen, und wenn nicht übermorgen, so doch sicher am Tag danach, dringender als alles andere auf dieser Welt. So muss auch das etliche Kilo schwere Konvolut alter Schrauben unterschiedlichster Korrosionszustände auf mich gekommen sein, das sich im Gartenschuppen fand. Oder der Deckel eines Pianinos, der ein düsteres Nachleben – als was denn eigentlich? – im Kohlenkeller fristete. Oder das Rasierzeug, das sich nur mutmaßlich meinem Vater zuordnen lässt, habe ich ihn doch nie mit Rasierklinge, Pinsel und Rasierschaum, nur mit elektrischen Rasierapparaten hantieren gesehen. Andererseits: Was alles aus meinen eigenen Beständen wird dereinst meinen Sohn vor Fragen stellen, die ihm niemand mehr beantworten kann?


Und dann war da noch damals,
in Kindertagen, die Frau schräg gegenüber, Mutter von zwei Kindern, der erst der Mann bei einem Verkehrsunfall zu Tode kam und, etliche Jahre später, auch der Sohn, einziges Todesopfer des Einsturzes der Reichsbrücke. Mehrere Häuser weiter, am anderen Ende der kleinen Gasse, meine Lehrerin, die mein Volksschuldasein mit Schönschreibübungen sonder Zahl (und ohne jeden heute erkennbaren Erfolg) bereicherte. Ums Eck mein Volksschulschwarm, der nie etwas von meiner Schwärmerei erfuhr. Und im Nachbarhaus der gleichaltrige Bub, dem ich so sehr neidete, dass er all die Abendfernsehwunder genießen durfte, die mir – von meinen Eltern verlässlich jugendgeschützt – verwehrt blieben, „Mit Schirm, Charme und Melone“, „Der Kommissar“, „Raumschiff Orion“; in unseren kleinen Siedlergärten haben wir sie gemeinsam nachgespielt, ich regelmäßig mit dem Part des bösen Losers gestraft, schließlich kannte ich ja alles nur vom Hörensagen.

Vor zwei Jahren, eben zurückgekehrt, habe ich ihn, längst anderswo zu Hause, noch einmal gesehen, und was sein verstörter Blick bedeutete, wurde mir erst Monate später klar: als ich erfuhr, dass er so früh, wie es mit 57 Jahren nur sein kann, an einer Demenzkrankheit gestorben war. Darf denn das sein, dass ein Kind der eigenen Kindheit einfach stirbt?


Kürzlich, in diesem Advent: Weihnachtskonzert in der kleinen Dorfpfarrkirche, die ihrem Habitus nach noch immer nichts davon weiß, seit 1905 Teil jener großen Stadt zu sein, die in den Tagen ihrer Errichtung fern wie ein anderer Kontinent schien. Ein Chor singt Weihnachtslieder aus aller Welt, ein Gitarrist zupft Besinnliches dazu, dazwischen liebenswürdig Lehrreiches zu Weihnachtsbräuchen allerorten. Fast 50 Jahre habe ich die alte Kirche nicht betreten, im Lauf des Heranwachsens hatte der familiäre Brauch des sonntäglichen Kirchenbesuchs an Dichte deutlich abgenommen. Und die goldenen Sternderln, die der Religionslehrer nur jenen Volksschülern gewährte, die sonntags brav zur Kirche gegangenen waren, hatten an Macht und Strahlkraft irgendwann doch eingebüßt und nach dem Wechsel ins Gymnasium schließlich ihre Bedeutung vollständig verloren.

Dennoch, der Raum ist mir auf Anhieb so vertraut, als sei ich gestern zuletzt dort gewesen, der Kreuzweg, die Empore, die Kanzel. Nur: Hatte der heilige Sebastian nicht anderswo im Saal sein drastisch ins Holz geschlagene Martyrium erlitten und der heilige Florian an anderer Stelle den Brand gelöscht? Tage später werde ich nachgelesen haben: dass die Kirche Anfang der Neunzigerjahre vor dem Einsturz stand – und wie sie über Jahrzehnte generalsaniert wurde. Noch immer sie selbst, und doch in vielen Kleinigkeiten klarer, lebendiger, als sie einstmals dem Erstkommunionskind schien.

Nichts bleibt, wie es ist. Und fast immer ist das gut so. Sonst würde der freundliche Herr aus Bulgarien, der würdevoll seinen Wiener Vorstadt-Chor durch alle choralen Fährnisse zwischen „Adeste fideles“ und „Es wird scho glei dumpa“ dirigiert, noch immer hinter dem Eisernen Vorhang sitzen; der Armenier, der so besinnlich die Gitarre zupft, wäre samt Gitarre und Besinnlichkeit in der Sowjetunion hängen geblieben. Und hätte man die alte Dorfpfarrkirche Anfang der Neunzigerjahre so bleiben lassen, wie sie war, dann wäre sie tatsächlich eingestürzt.

Wie alt der alte Marillenbaum
in meinem Siedlungsgarten ist, ahnt niemand, wahrscheinlich nicht einmal er selbst. In meiner Erinnerung war er immer schon groß, war groß schon in der Erinnerung jener, die das Siedlungshaus vor meinen Eltern bewohnten, als sei er einfach immer da gewesen. Einmal, vor meiner Zeit, ich weiß es nur aus Erzählungen, ist er unter der Last der Früchte, die er trug, auseinandergebrochen; und die Wunde, die ihm damals gerissen wurde, zeichnet sich bis heute als Narbe am Stamm ab. Ein andermal ist ihm die oberste Krone verdorrt. Doch der eine Ast, der ihm blieb, wuchs weiter, wuchs zur neuen Krone sich aus. Er hat alles überstanden, was man als Baum nur überstehen kann, und blieb, wiewohl stets sich neu schaffend, immer derselbe Marillenbaum, den ich seit Kindheit kannte.

Das Haus meiner Kindheit ist nicht dasselbe geblieben. Nicht wegen des Umbaus, des Zubaus, des Ausbaus, nicht wegen neuer Möbel, neuer Fenster, neuer Farbe an der Wand. Ich erinnere mich noch gut an den Tag, an dem ich die Veränderung bemerkte, es müssen Jahrzehnte seither vergangen sein. Und die Kellerstiege war der Ort, an dem es geschah.

Ausgerechnet die Kellerstiege. Wie oft war ich dort nach unten getappt, ängstlich nach allen Seiten spähend, als könnte im nächsten Augenblick die Wilde Jagd losbrechen oder irgendein Unbekanntes aus der Finsternis nach mir fassen. Ich weiß nicht, wie und warum, aber dieses eine erste Mal war alles anders: Nicht dass es rund um mich heller gewesen wäre oder übersichtlicher oder sonst irgendwie verändert, nur die Angst, sie war nicht mehr da. Und ist nie wiedergekehrt.


Das Haus der Kindheithat viele Zimmer. Viel mehr als auf den 60 Quadratmetern meines Hauses von damals und den gut doppelt so vielen von heute zu fassen wären. Zimmer voller Triumphe und Zimmer voller Niederlagen, Zimmer voller Überschwang und Zimmer des Schreckens. Nicht zuletzt Zimmer, gefüllt mit Alltäglichkeiten. Und je nach Gemütslage (und Therapiebedarf) werden wir sehr unterschiedliche Vorstellungen davon entwickeln, von welchen Zimmern es mehr, von welchen es weniger gebe. Die Zimmer sind immer zugegen und bleiben es ein Leben lang; wir sollten sie kennen – aber wir müssen sie nicht alle bewohnen. ■

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.12.2015)

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