Jagd nach der Schönheit

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Kann man Schönheit umverteilen? Ja, sofern sie zur Ware wird. Zumindest den Oberschichten steht dieser Weg offen. Die Schönheitsindustrie, die chirurgische, bald auch die genetische, hat Hochkonjunktur. – Der schöne Mensch: ein Diktat.

Der Mensch, so formulierte es einmal ausgerechnet Karl Marx, ist das einzige Wesen, das allen Dingen ihr „inhärentes Maß“ anzulegen weiß, das also auch nach den „Gesetzen der Schönheit“ wahrnehmen und produzieren kann. Dies gilt auch für den Menschen selbst. Auch sich selbst produziert er nach ebendiesen Gesetzen der Schönheit. Derschöne Mensch steht so im Mittelpunkt al-
ler Schönheitsdebatten, es ist die Sehnsucht nach physischer Attraktivität, die unser Denken und Fühlen beherrscht.

Kein Wunder, dass die Schönheitsindustriezu den erfolgreichsten und prosperierenden Wirtschaftszweigen unserer Tage zählt. Die Schönheitsprodukte der Parfümerien und die Versprechungen der Kosmetik zeugen ebenso davon wie die unzähligen Tipps und Tricks, die Schönheitsmagazine ihren weiblichen und zunehmend auch männlichen Kunden verraten, um dem Ideal des schönen Menschen so nah wie möglich zu kommen. Und die rasante Zunahme schönheitschirurgischer Eingriffe zeigt, dass man die Umgestaltung des eigenen Körpers nach dem Maßstäben des Schönen mittlerweile flächendeckend in Angriff nimmt. Der Wunsch nach einem schönen Körper oder einemschönen Gesicht lässt sich in einem größe-
ren Kontext allerdingsals ein Moment jenesTrends deuten, der unterschiedliche, selbst zu verantwortende Verbesserungsstrategien um-fasst: von Gehirn-Doping über Schönheitschirurgie bis zu Anti-Aging.

„Nichts ist schön, nurder Mensch ist schön:Auf dieser Naivität ruht alle Ästhetik, sie ist deren erste Wahrheit“, schrieb Friedrich Nietzsche in seiner „Götzen-Dämmerung“, allerdings nicht ohne hinzuzufügen: „Nichts ist hässlicher als der entartende Mensch, – damit ist das Reich des ästhetischen Urteils umgrenzt.“ Auch wenn der Begriff der „Entartung“ mittlerweile eine andere Bedeutung als zu Nietzsches Zeit hat, deutet sich darin ein sublimer Zusammenhang an, der seit der Antike den Diskurs der menschlichen Schönheit begleitet und beherrscht: dass es einen Zusammenhang zwischen der physischen Attraktivität und den moralisch-sittlichen Qualitäten gäbe. Menschliche Schönheit befriedigt nicht nur ein interesseloses Wohlgefallen, sie stellt nicht nur ein sexuell-erotisches Signal dar, sondern sie scheint immer auch auf andere, innere, moralische Qualitäten zu verweisen. In der Attraktivitätsforschung haben zahlreiche Untersuchungen immer wieder zu ein und demselben Ergebnis geführt: Schönen Menschen werden wesentlich öfter auch andere positive Eigenschaften zugeschrieben als Menschen, die man als hässlich empfindet.

Neu ist dies nicht. In der im 18. Jahrhundert vor allem von dem Schweizer Pfarrer und Philosophen Johann Caspar Lavater entwickelten „Physiognomik“ wurde der Versuch unternommen, von bestimmten physischen Merkmalen – Gesichtszüge, Stellung der Augen, Beschaffenheit der Kinnpartie und Ohren –, aber auch von Körperhaltungen auf entsprechende Charakterzüge zu schließen. Lavater ging dabei von der Voraussetzung aus, dass die Schönheit und Hässlichkeit des Angesichts ein „genaues Verhältnis“ zur Schönheit und Hässlichkeit der moralischen Beschaffenheit des Menschen aufweisen, was ihn zur folgendenpointierten Formulierung führte: „Je moralisch besser; desto schöner. Je moralisch schlimmer; desto hässlicher.“Lavater betonte allerdings, dass diese Koinzidenz zwischen moralischer Qualifikation undästhetischem Aussehennicht die Voraussetzung,sondern das Resultat derEntwicklung eines Charakters ist. Edle Handlungen und Gesinnungen werden sich auf Dauer ebenso in den Gesichtszügen niederschlagen wie verwerfliche Aktivitäten: Tugend verschönert einen Menschen, das Laster verhässlicht ihn.

Natürlich hat diese Konzeption die Idee zur Voraussetzung, dass das Gute wie das Böse einem physiognomischen Zeichenrepertoire entsprechen. Zumindest im Alltagfunktioniert dieses Zeichensystem in Ansätzen noch immer: Der offene Gesichtsausdruck und das freundliche Lächeln gehören ebenso dazu wie der verschlagene Blick und das brutale Kinn. Allerdings hatte schon Georg Christoph Lichtenberg in seiner kritischen Auseinandersetzung mit Lavater die Fragwürdigkeit des Prinzips „Tugend macht schöner, Laster hässlicher“ betont, da die Gesichtszüge erstaunlich oft lügen, und zwar, so Lichtenberg, nicht zuletzt deshalb, weil es Menschen gibt, die durch eine Tat sofort gezeichnet werden, während andere etwas „tausendmal“ tun können, ohne dass dies in ihrem Gesicht Spuren hinterließe.

Lavater betrieb seine Physiognomik unter dem Aspekt der Menschenkenntnis, undauch wenn die wissenschaftlichen Beweise für einen strikten Zusammenhang von Aussehen und Charakter ausgeblieben sind, verhalten wir uns im Alltag so, als ob schönere Menschen tatsächlich auch die besseren Menschen seien und deshalb eine andere Art der Aufmerksamkeit und Zuwendung verdienten als weniger attraktive Menschen. Das beginnt damit, dass schöne Kinder von ihren Lehrern bevorzugt werden, das setzt sich darin fort, dass schönere Menschen vor Gericht die besseren Chancen haben, und endet damit, dass attraktive Verkäufer und Verkäuferinnen erfolgreicher sind als weniger attraktive. Und dass schönereMenschen als erotische Objekte begehrtersind als weniger schöne, versteht sich fastschon von selbst.

Schöne Menschen haben offenbar mehrvom Leben. Die einschlägigen psychologischen Experimente untersuchen allerdingsnur den Zusammenhang zwischen Attraktivitätszuschreibungen und damit verbundenen Einstellungen, stellen also keine objektiven Kriterien für Schönheit zur Verfügung. Präziser müsste man also sagen, dass wir Menschen, die unserem Schönheitsempfinden entsprechen, anders gegenübertreten als körperlich von uns für unattraktiv erachteten – und dies gilt auch dann, wenn wir solchen Stereotypen bewusst aus dem Wege gehen wollen.

Es gibt jedoch durchaus auch Versuche,gleichsam experimentell herauszufinden, obes für alle oder zumindest die meisten Menschen generelle Merkmale für die menschliche Schönheit gibt. Lange galt es als erwiesen, dass das Schönheitsempfinden imWesentlichen kultur- und milieubedingt ist und dass es deshalb zahlreichen Wandlungen und Veränderungen unterliegt. Die „Schönheitsideale“ – immer bezogen aufden Menschen – der Antike unterscheiden sich doch deutlich von denen des 17. Jahrhunderts, die asiatischer oder afrikanischer Kulturen deutlich von denen der westlichen Welt. Die „Rubensfrau“, die heute bei keinerModelagentur eine Chance hätte, wird dafür gerne als Beispiel genannt. In den letzten Jahren lassen aber interkulturelle Untersuchungen doch den Schluss zu, dass es ein Repertoire von einigen zentralen Merkmalen gibt, die in (fast) allen Kulturen gleichermaßen als schön gelten.

Zu den wesentlichen Ergebnissen derartigen Forschungen gehört die Einsicht, dass das Schöne ganz entscheidend mit dem Durchschnittlichen korreliert. Nicht das außergewöhnliche, extravagante, auffallende oder exzentrische Gesicht wird von den meisten Menschen als schön empfunden, sondern das eher unauffällige Durchschnittsgesicht. Sowohl methodisch kontrollierte psychologische Studien, die sich zunehmend auch der Methode des computergenerierten Morphings bedienen, also der Möglichkeit, Bilder allmählich ineinander übergehen zu lassen, als auch die beliebten Votings im Internet, bei denen man unzählige zufällige Nutzer menschliche Gesichter nach einer Attraktivitätsskala bewerten lässt, ergeben, dass sich die Schönheitsideale schnell auf das regelmäßige, aber unauffällige Gesicht einpendeln. Natürlich könnte man sagen, dass diese Erkenntnis eine Tautologie darstellt: Je mehr Menschen befragt werden, desto größer ist auch die statistische Wahrscheinlichkeit, dass ihr ästhetischer Geschmack durchschnittlich sein wird, weil ja nichts anderes als eben dieser Durchschnitt ermittelt wird.

Schon Immanuel Kant hatte versucht, diesen Sachverhalt durch den Begriff der „ästhetischen Normalidee“ zu charakterisieren, wobei Kant das heute technisch mögliche gewordene Verfahren des Morphing als Gedankenexperiment antizipierte. Man stelle sich vor, so Kant, man könnte die Bilderaller Menschen, die man gesehen hat, gleichsamaufeinanderfallen lassen,um von der „Kongruenz der mehreren von derselben Art ein Mittleresherauszubekommen“, sohätte man die „Normal- idee des schönen Menschen“ – wobei Kantdiese Antizipation nochauf kulturelle Erfahrungsmöglichkeiten einschränkte, weshalb „ein Neger notwendigunter diesen empirischen Bedingungen eineandere Normalidee der Schönheit der Gestalt haben muss als ein Weißer, der Chinese eine andere als der Europäer“. Unter den Bedingungen der Globalisierung fallen diese Beschränktheiten weg, und die ästhetische Normalidee der Gegenwart zieht auch den Durchschnitt aller Hautfarben eindeutigen Zuordnungen vor.

Die Schönheit als Geschenk der Natur ist das eine. Die Schönheit als Resultat von Training, Kosmetik und Chirurgie ist das andere. Der tatsächliche oder auch nur unterstellte Zusammenhang zwischen physischer Schönheit, sozialer Akzeptanz, erotischem Erfolg und beruflichen Karrierechancen hat das Begehren nach Schönheit zu einem dominanten Aspekt der modernen Gesellschafterhoben, der Schönheitskult hat Hochkonjunktur. Die Jagd nach der Schönheit ist unübersehbar und die Bereitschaft, auch teure und schmerzhafte Modifikationen des eigenen Körpers in die Wege zu leiten, stark angestiegen. Die Kunden für Schönheitsoperationen kommen mittlerweile aus beiden Geschlechtern und aus allen Schichten, neben „klassischen“ Eingriffen wie Fettabsaugung, Vergrößern oder Verkleinern der Brüste, Nasen- und Ohrenkorrekturen, Straffen der Haut und Aufspritzen der Lippen werden auch jene intimen Regionen des Körpers zunehmend Adressaten chirurgischer Manipulationen, die dem öffentlichen Anblick in der Regel versagt sind: Die oft nach dem Vorbild von Pornodarstellerinnen vorgenommene Schamlippenkorrektur – bemerkenswerterweise meist Verkleinerung – erfreut sich zunehmender Beliebtheit.

Was verbirgt sich hinter diesem Trend? Bedeutet dies die Unterwerfung der Menschen unter das Diktat einer immer umfassenderen Schönheitsindustrie oder einen weiteren Schritt zur Selbstgestaltung des Körpers und damit zur Selbstbestimmung? Tatsächlich war der menschliche Körper von allem Anbeginn ein Gegenstand nicht nur der Betrachtung, sondern auch und vielleicht vor allem der Formung, Gestaltung und Veränderung. Wie unterschiedlich in den verschiedenen Kulturen diese Arbeit am Kör-
per auch ausfallen mochte – entscheidend ist, dass zu keiner Zeit der Körper des Menschen in seinem natürlichen Zustand belassen worden wäre. Der Körper war immer schon Träger sozialer, erotischer und ästhetischer Botschaften, er wurde geschmückt undmit Ornamenten versehen, geformt, trainiert und verändert, verhüllt und enthüllt, in Szene gesetzt, dann wieder verborgen und nicht zuletzt operativen Eingriffen ausgesetzt.

Über den Körper und seine Präsentation wurden und werden sozia-
le Differenzen ebensokommuniziert wie erotische Signale, Zugehörigkeiten und Vorlieben. Werthaltungen und Statusfragen finden ihreAusdrucksformen nichtnur, aber ganz wesentlich über den Körper, die Geschlechterdifferenz wird ebenso über die Formierung des Körpers codiert wie die offene oder versteckte Andeutung bestimmter sexueller Präferenzen.

Körper-Shaping, also die Bemühungen,den Körper mit welchen Mitteln auch immer zu formen, lässt sich deshalb immer auch als Etablierung eines Zeichenrepertoires deuten, das nicht nur über ästhetische Normen und Präferenzen, sondern auch über die sozialen und symbolischen Ordnungen einer Gesellschaft Auskunft gibt. Wie jemand riecht, ob jemand gepflegt oder ungepflegt erscheint, geschminkt oder ungeschminkt, frisiert oder unfrisiert, in seiner Haltung straff oder nachlässig, im Auftreten dynamisch oder verschreckt, aufrechterGang oder gebücktes Schleichen – all das bestimmt, oft noch weit unter der Bewusstseinsschwelle, unsere Wahrnehmungen und entscheidet über Fragen der Sympathie oder Antipathie, Toleranz oder Intoleranz,des Vertrauens oder derVorsicht, lange bevorwir uns kommunikativ mit unserem Gegenüberauseinandersetzen. Indem Maße, in dem der Körper – seine Darstellung und seine Inszenierung – eines der entscheidenden primärenSignale darstellt, das wir an unsere soziale Umgebung senden, wird auch verständlich, dass ebendieser Körper nicht in seiner unmittelbaren Natürlichkeit belassen werden kann.

Die Palette der Möglichkeiten, den Körper zu modellieren, ist groß, und die Unterschiede, die es dabei gibt, dürfen nicht unterschätzt werden. Eine traditionelle Ästhetisierung des Körpers etwa beruht auf der Möglichkeit der Illusionierung. Durch Schminke, Bäder, raffinierte Kleidung und Frisuren, eintrainierte Haltungen und Bewegungen kann der Schein einer Schönheit erzeugt werden, der selbst höchst vergänglich ist. Lange galt deshalb die geschminkte Frau als verwerflich, weil sie eine Schönheit vortäuschte, die sie nicht besaß. Andererseits sind diese Methoden wie auch die Bildung des Körpers durch Sport und Training reversibel. Die Schminke kann abgetragen werden, das wahre Gesicht kommt zum Vorschein, der straffe Bauch verschwindet ohne Training, der wahre Charakter entpuppt sich in der Disziplinlosigkeit.

Die modernen chirurgischen, bald wohl auch genetischen Manipulationen machen Schluss mit diesem Spiel von Sein und Schein, das bisher zu den wesentliche Momenten unserer Kultur der Schönheit zählte. Nun wird das Sein selbst einem neuen Design unterworfen, das so leicht nicht mehr rückgängig gemacht werden kann. Die Frage nach dem Verhältnis von Sein und Schein wird damit hinfällig: Die chirurgisch optimierte Figur ist nun tatsächlich schlanker, während der in ein Korsett gepresste Körper seine schmale Taille nur vortäuschte.

Unter ethischen Gesichtspunkten provoziert diese Möglichkeit, den Körper selbst zu gestalten, natürlich die Frage nach der Verantwortung, die man seinem Körper gegenüber hat. Ob der Körper, seine Bildung und seine Erfahrungspotenziale als Selbstzweck fungieren, war, vor allem im christlichen Kontext, höchst umstritten. Als Quelle der Lust galt der Körper als Signatur der Sündhaftigkeit, es ging nicht darum, ihn zu entfalten,sondern ihn in seinerDynamik einzuschränken und zu kasteien. Aber auch in einer säkularisierten Moral – mandenke an Kant – warender Körper und seineNeigungen den Prinzipien der praktischen Vernunft unterworfen, diese allerdings forderten auch so etwas wie Pflichten sich selbst gegenüber ein, zu denen auch der Anspruch gehörte, den Körper nicht als reines Mittel zu einem Zweck zu missbrauchen.

Kant hatte in seiner „Metaphysik der Sitten“ die Pflichten des Menschen gegen sich selbst aus zwei Grundsätzen abgeleitet: „Lebe der Natur gemäß“, und: „Mache dich vollkommener, als die bloße Natur dich schuf“. Ein Vernunftwesen, das frei und autonom handeln kann, darf gerade aus dieser Freiheit heraus seinen Körper weder verkaufen noch beliebigen Zwecken unterwerfen, missbrauchen oder verstümmeln. Der Respekt und die Achtung, die wie anderen Menschen und ihrer körperlichen Integrität entgegenbringen müssen, gelten auch unserem eigenen Körper gegenüber. Sehr wohl gehört es zu den Pflichten sich selbst gegenüber, für seinen Körper zu sorgen und durch eine geeignete maßvolle Lebensweise seine Funktionen zu gewährleisten. Selbstmord, der unnatürliche Gebrauch der Geschlechtsneigungen und der unmäßige Genuss von Nahrungsmitteln waren für Kant dann auch die paradigmatischen Laster, die dieser Selbstverpflichtung widersprechen. Und was die Vervollkommnung betrifft: Natürlich dachte Kant nicht an die technische Vervollkommnung des Körpers, sondern an einen Souveränitätsgewinn der Vernunft gegenüber den Neigungen des Körpers. Aber dieser Souveränitätsgewinn könnte sich auch in einer Optimierung des Körpers ausdrücken, solange diese sich an den Maximen der praktischen Vernunft orientiert.

Wenn Schönheit sowohl auf dem Beziehungs- als auch auf dem Arbeitsmarkt die Chancen signifikant erhöht, wäre es allerdings höchst problematisch, diese Vorteile nur jenen zu überlassen, die durch die Gunst der Natur das Glück haben, dieser Norm zu entsprechen. Die natürliche Schönheit, so formulierte es jüngst der Philosoph Norbert Bolz, ist nämlich der sichtbarste Ausdruck für den „Skandal der natürlichen Ungleichheit“ der Menschen, Schönheit ist an sich „undemokratisch verteilt“, und man kann sie nicht einfach umverteilen. Schönheit kennt jenseits jeder individuellen Leistung eindeutig Bevorzugte und Benachteiligte. Die Industrialisierung der Schönheit und die verfeinerten Technologien der Produktion künstlicher Schönheit werben deshalb auch mit einer damit verbundenen Demokratisierung des Schönheitsideals. Schönheit wird zu einer Ware, die allmählich aufhört, als Ausdruck natürlicher Bevorzugung nur wenigen zugänglich zu sein; den Ober- und Mittelschichten steht dieser Weg mittlerweile offen.

Das Unbehagen aber bleibt. Abgesehen von der Frage, inwieweit die Schönheit des Menschen als eindeutig identifizierbares Kunstprodukt akzeptiert wird, werden damitauch eindeutige Normen vorgegeben und durchgesetzt, die soziale Spannungen noch verschärfen können. Menschen, die sich dem Diktat der Schönheitsindustrie verweigern, leiden zunehmend unter schwindender sozialer Akzeptanz. Erst eine Gesellschaft, die den Zusammenhang zwischen Anerkennung, Liebe und Erfolg mit der Schönheit der Erscheinung radikal kappen könnte, setzte ihre Mitglieder nicht mehrdem Druck aus, das Selbstwertgefühl durch die radikale Manipulation des Körpers zu steigern. Von solch einer Gesellschaft sind wir weiter entfernt denn je. ■

PHILOSOPHICUM LECH. Das Schöne

Das 13. Philosophicum Lech beschäftigt sich vom 16. bis 20. September mit
dem Thema „Vom Zauber des Schönen.
Reiz, Begehren und Zerstörung“, www.philosophicum.com.

Zu den Vortragenden und Diskussionsteilnehmern gehören u. a. Konrad Paul Liessmann, Winfried Menninghaus, Martin Seel, Elke Krystufek, Michael Köhlmeier, Michael Fleischhacker.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.09.2009)

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