Witz, du bist Putschist!

Bis in die jüngste Zeit wurden Karikaturisten in der Türkei als Stars gefeiert. Das ändert sich nun. Die autokratisch regierende AKP kriminalisiert nicht nur die freien Medien, sondern auch den Witz.

In der von Instabilität und mehreren Staatsstreichen dominierten Geschichte der türkischen Republik stellt der Militärputsch vom 12. September 1980 eine tiefe Zäsur für die Bevölkerung zwischen Bosporus und Ararat dar. Auf die blutigen Straßenkämpfe zwischen linken undrechten Gruppierungen folgte nach dem Coup eine enorm repressive Ära, die bis heute nicht aufgearbeitet wurde und nach gängiger Meinung den Aufstieg der islamisch-konservativen AKP unter der Ägide von Recep Tayyip Erdoğan erst möglich machte. Der Putsch von 1980 mag auch den fortwährenden Konflikt der modernen Türkei zusammenfassen: die Kemalisten mit dem Militär als Gralshüter auf der einen Seite, die Konservativen und Islamisten auf der anderen, dazwischen die ethnischen und religiösen Minderheiten, eingebettet in eine nationalistische Atmosphäre und ausgestattet mit einer ambivalenten Beziehung zur eigenen (osmanischen) Geschichte.

Im September 1980 erschien in der türkischen Satirezeitschrift „Gırgır“ eine Schwarz-Weiß-Karikatur, die mehrere Polizisten zeigt,wie sie eine winzige Maus in „Handschellen“ abführen. „Sie hat verbotene Bücher gefressen“, lautet die Erklärung dazu; zum Beweis hält ein grimmiger Beamter ein wild angeknabbertes Buch in der Hand. Die Karikatur zeichnet in ihrer Absurdität den Alltag der Post-Putsch-Türkei nach, als willkürlich Studenten verhaftet wurden, die „verbotene Literatur“ bei sich trugen – vornehmlich Belletristik. Nach dem Putsch 1980 erlebte die bitterböse, scharfsinnige Beobachtung der gesellschaftlichen und politischen Verhältnisse eine Blütezeit. Zensur betraf insbesondere Zeitungen und Zeitschriften, freilich auch die politische Satire, aber vielleicht nicht in dieser Härte.

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.